Leitsatz (amtlich)
Wegen des aus § 5 Sparkassenverordnung Sachsen-Anhalt folgenden Kontrahierungszwangs können Sparkassen sog. Girokonten auf Guthabenbasis nur aus wichtigem Grund kündigen. Das gilt selbst dann, wenn eine ordentliche (Änderungs-) Kündigung lediglich der Anpassung der Kontoentgelte dienen soll.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 19.05.2011; Aktenzeichen 6 O 1226/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das (Schluss-)Urteil des LG Halle vom 19.5.2011 - 6 O 1226/10 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Änderungskündigungen, die die Beklagte mit dem Ziel ausgesprochen hat, die Kontoführungsgebühren gegenüber Verbrauchern anzupassen, die einen erhöhten Bearbeitungsaufwand verursachen.
Der Kläger ist ein Verbraucherverein, der in die Liste der "qualifizierten Einrichtungen" beim Bundesamt für Justiz eingetragen ist.
Die Beklagte ist eine Sparkasse. Sie versandte ab April 2010 an einzelne Girokunden Angebote, die Konten zu einem erhöhten Entgelt weiterzuführen. Zur Begründung teilte sie mit, dass die Aufwendungen für die Führung der Konten über dem Durchschnitt lägen und das bisher erhobene - dem Preisaushang entsprechende - Entgelt nicht mehr auskömmlich sei. Für den Fall, dass der Kunde der Änderung nicht zustimme, werde das Girokonto gekündigt. Exemplarisch wird auf die an die Kundin M. B. versandten Schreiben vom 20.4.2010 (Anlage "Antrag 1"; Bd. I, Bl. 18 d.A.), vom 11.5.2010 (Anlage "Antrag 2"; Bd. I, Bl. 19 d.A.) und vom 17.6.2010 (Anlage "Antrag 3"; Bd. I, Bl. 20 d.A.) Bezug genommen. Mit der Klageerwiderung gab die Beklagte eine strafbewehrte Teil-Unterlassungserklärung ab und verpflichtete sich, "mit dem Angebot zur Vertragsänderung bezogen auf das Kontoführungsentgelt eines Zahlungsdiensterahmenvertrages mit Verbrauchern den Verbrauchern [...] auf die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen". Zugleich erkannte sie die vorgerichtlichen Abmahngebühren an. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Nach einem vorangehenden Teilanerkenntnisurteil verpflichtete das LG die Beklagte in der angefochtenen Entscheidung, Änderungskündigungen zum Zwecke der Entgeltanpassung auszusprechen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass das Verhalten der Beklagten irreführend sei, weil beim Kunden der Eindruck erweckt werde, das Kreditinstitut sei zur Preiserhöhung berechtigt. Tatsächlich setze dies jedoch eine - von der Zustimmung des Verbrauchers abhängige - Vertragsänderung voraus. Im Übrigen könne die Beklagte wegen ihres Kontrahierungszwangs keine Änderungskündigungen aussprechen, weil ihr eine Fortführung des Vertrages unter Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht unzumutbar sei.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Damit stellt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens klar, dass es bei dem Konto der Kundin M. B. nicht um die Umstellung eines Giro- auf ein Pfändungskonto gehe, sondern um eine Preisanpassung wegen überdurchschnittlichen Kontoführungsaufwandes. Nach den Sparkassen-AGB (Anlage K6, Bd I Bl. 26 ff.) dürften Änderungsangebote unterbreitet werden, die vom Preisaushang abwichen. Bei der Gestaltung der Entgelte sei die Beklagte bis zu Grenzen der Sittenwidrigkeit frei und unterliege keiner gerichtlichen Überprüfung. Insbesondere sei es zulässig, die Höhe der Vergütung an den Umfang der ausgeübten Tätigkeiten anzuknüpfen. Das verlangte Entgelt (zuletzt 10 EUR) läge nur unwesentlich über der durchschnittlichen Gebühr für kostenpflichtige Girokonten in Deutschland (7,26 EUR).
Das LG beschränke sich darauf, die Entgeltberechtigung und das Kündigungsrecht jeweils isoliert zu prüfen. Ein Verstoß gegen Verbraucher schützende Vorschriften werde daraus jedoch nicht hergeleitet. Giroverträge dürften ohne Angabe von Gründen ordentlich gekündigt werden. Dies gelte trotz des Kontrahierungszwangs im Wesentlichen auch für Sparkassen. Diese Kreditinstitute seien jedenfalls nicht verpflichtet, ein Girokonto kostenfrei oder dauerhaft günstig zur Verfügung zu stellen. Mit einer monatlichen Gebühr von zuletzt 10 EUR werde der Anspruch auf ein "Konto für jedermann" nicht untergraben. Dieser Preis trage auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des am 19.5.2011 verkündeten Urteils des LG Halle zum Az.: 6 O 1226/10 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urt...