Entscheidungsstichwort (Thema)

Betäubungsmittelstrafrecht: Feststellungen zum Mindestschuldumfang, Pauschale Qualitätsbezeichnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Taten beziehen, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Insbesondere ist es für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich im Betäubungsmittel befunden haben. Der Tatrichter muss deshalb grundsätzlich entweder konkrete Feststellungen zur Gewichtsmenge und zum Wirkstoffgehalt des Rauschgiftes treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Menge und Qualität ausgehen, die nach den Umständen in Betracht kommen.

2. Hat eine Zeugin zu den gleichzeitig mit einem anderen Zeugen getätigten Heroinerwerben bekundet, dass das Heroin "anfangs sehr gut und bei den letzten Malen dagegen nicht mehr so gut" gewesen sei, bleibt die Qualität des Heroins zwischen Anfang und Ende der Bezugsdauer des anderen Zeugen und außerhalb der Schnittmengen des gleichzeitigen Bezuges beider völlig offen.

3. Der Bezeichnung "unterdurchschnittliche" oder "nicht mehr so gute" Qualität fehlt zudem jegliche Aussagekraft. Es bleibt unklar, welche Wirkstoffmengen der Tatrichter tatsächlich seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Er darf sich nicht mit vagen Qualitätsangaben begnügen; zum Nachteil des Angeklagten dürfen nur sicher festgestellte Mindestmengen herangezogen werden.

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 30.12.2005)

AG Regensburg (Urteil vom 26.09.2005)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Regensburg hat den Angeklagten am 26.9.2005 "der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in 30 Fällen, 15 mal davon mit vorsätzlichem unerlaubten Veräußern von Betäubungsmitteln" schuldig gesprochen und ihn "unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des AG Aachen vom 4.5.05, Az: 103 Js 255/05 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt". Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

Das Landgericht Regensburg hat am 30.12.2005 die Berufung des Angeklagten verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 26.9.2005 im Rechtsfolgenausspruch insoweit abgeändert, "als der Angeklagte unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des AG Aachen vom 04.05.2005 zur Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt wird und die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt entfällt."

Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat beantragt, auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Regensburg aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg zurückzuverweisen.

II.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat mit der Sachrüge (jedenfalls vorläufigen) Erfolg.

Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht mehr an.

1. Die Urteilsfeststellungen sind lückenhaft und widersprüchlich. Sie tragen den Schuldumfang, mithin den Schuldspruch und die Strafzumessung nicht.

1.1. Die bisher getroffenen - mit aufgehobenen - Feststellungen des Berufungsgerichts lassen nicht ausreichend den Schuldumfang der Taten des Angeklagten erkennen. Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Taten beziehen, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Insbesondere ist es für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich im Betäubungsmittel befunden haben. Der Tatrichter muss deshalb grundsätzlich entweder konkrete Feststellungen zur Gewichtsmenge und zum Wirkstoffgehalt des Rauschgiftes treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Menge und Qualität ausgehen, die nach den Umständen in Betracht kommen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLGSt 1999, 99; 2002, 33).

1.2. Feststellungen zum Wirkstoffgehalt wären nach der Rechtsprechung des BayObLG auch in Veräußerungsfällen (vgl. BayObLGSt 1999, 178; BayObLG Beschluss vom 20.7.2004 - 4St RR 74/04 -) nur dann entbehrlich gewesen, wenn die "geringe Menge" (im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG) nicht überschritten gewesen wäre.

Die jeweils von den Zeugen T. und D. erworbenen Einzelmengen von 0,3 g Heroin übersteigen jedoch unter Zugrundelegung einer dreifachen Konsumeinheit eines Gelegenheitskonsumenten von 0,03 g Heroin (Heroinhydrochlorid - HHCl ) - eine Konsumeinheit beträgt 0,01 g HHCl vgl. Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rn. 1659 - die geringe Menge im genannten Sinn um das Zehnfache.

1.3. Die Feststellungen des Landgerichts zur Qualität des veräußerten Rauschgiftes sind lückenhaft, unklar und widersprüchlich.

Das Landgericht Regensburg hat, nachdem das Verfahren bereits durch das Amtsgericht Regensburg mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf einen Tatzeitraum vom 2.7.2004 bis End...

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