Entscheidungsstichwort (Thema)

Betäubungsmittelstrafrecht: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben, Nicht geringe Menge Crystal-Speed bzw. Amfetamin, Feststellungen zum Mindestschuldumfang

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Eine Beihilfehandlung liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn ein Wohnungsmitinhaber sich darauf beschränkt, den Verkauf von Betäubungsmitteln aus seiner Wohnung zu dulden.

b) Allein die Tatsache, dass die Angeklagte Mitinhaberin der Wohnung war, dass sie wusste und duldete, dass ihr Lebensgefährte Betäubungsmittel im Schlafzimmer "streckte", begründete im Übrigen auch keine Garantenpflicht der Angeklagten, dieses Verhalten zu verhindern, und rechtfertigte auch nicht die Annahme der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Unterlassen. Selbst die Nichthinderung eines Ehemannes am Betäubungsmittelhandel in der ehelichen Wohnung ist ohne besondere Garantenpflicht nicht strafbar. Weder eine allgemeine Bürgerpflicht noch eine moralisch-sittliche Pflicht begründen eine solche Garantenstellung.

2. Die nicht geringe Menge bei Crystal-Speed beginnt bei 30 Gramm Methamphetamin-Base bei Amphetamin bei 10 Gramm Amphetamin-Base.

3. Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Tat bezieht, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Insbesondere ist es für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevante Wirkstoffmengen das jeweilige Rauschgift aufwies. Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für die Angeklagte günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht möglich ist, darf der Tatrichter die Frage nach dem Wirkstoffgehalt nicht offen lassen. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes "in dubio pro reo" feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels auszugehen ist.

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Urteil vom 15.12.2005)

AG Regensburg (Urteil vom 12.07.2005)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Regensburg hat die Angeklagte am 12.7.2005 wegen "unerlaubten, gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen, des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 3 Monaten verurteilt.

Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Regensburg am 15.12.2005 das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 12.7.2005 aufgehoben und die Angeklagte wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Im Übrigen hat es die Angeklagte freigesprochen und die weitergehende Berufung der Angeklagten als unbegründet verworfen.

Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt in ihrer Stellungnahme vom 20.3.2006, das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2005 "mit Ausnahme des Schuldspruchs im Tatkomplex II 2.1." (richtig: B I. 2.1.) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Regensburg zurückzuverweisen, sowie die weitergehende Revision der Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat (zumindest vorläufig) weitgehend Erfolg.

1. Nicht von Erfolg ist die Revision soweit sie die Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß den Feststellungen zu B I. 2.1. (Seite 11 BU) betrifft.

a) Insoweit tragen die getroffenen Feststellungen den Schuldspruch.

Im Fall B I. 2.1. waren Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt nämlich entbehrlich - anders als in den Fällen B I. 2.2. - 2.4. (siehe dazu unten II. 2.) - , weil die Angeklagte hier nach den getroffenen Feststellungen des Landgerichts "ein Briefchen Heroin, das eine Konsumeinheit von ca. 0,3 g Heroin enthielt" für den Eigenkonsum erworben hat. Es handelte sich somit um eine geringe Menge im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG, welche bis zu 3 Konsumeinheiten eines Gelegenheitskonsumenten umfasst. In diesem Bereich sind Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt der Betäubungsmittel entbehrlich (vgl. hierzu BayObLGSt 1999, 99; Körner BtMG 5. Aufl. § 29 Rn. 1659).

b) Auch die Festsetzung einer Einzelstrafe von einem Monat bezüglich dieser Tat (Seite 21 BU) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Di...

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