Leitsatz (amtlich)
Eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 2 StPO wegen Unfähigkeit zur Selbstverteidigung ist schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen.
Tenor
I.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Amberg vorn 25. Oktober 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Amberg zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Amberg hat den Angeklagten am 25.10.2012 wegen Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt,
Mit der Sprungrevision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Sprungrevision ist zulässig (§§ 335, 341 Abs. 1, 344, 345 SPD) und hat bereits mit der Verfahrensrüge (vorläufigen) Erfolg.
Der Angeklagte macht mit seiner gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in zulässiger Form begründeten Verfahrensrüge zu Recht den Revisionsgrund gemäß §§ 140 Abs. 2, 338 Nr. 5 StPO geltend, weil die Hauptverhandlung gegen ihn ohne den Beistand eines Verteidigers und somit in Abwesenheit einer Person, deren)Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat. Insoweit ist es unerheblich, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht beantragt hat. Denn der Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen der Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO vorliegen, ein Verteidiger aber nicht bestellt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 338 Rn. 41 m. w. N.).
Die Mitwirkung eines Verteidigers war in der Hauptverhandlung am 25.10.2013 gemäß § 140 Abs. 2 StPO aber notwendig. Nach dieser Vorschrift ist einem Angeklagten u. a. dann ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn ersichtlich ist, dass sich dieser nicht selbst verteidigen kann. Seine Verteidigungsfähigkeit richtet sich nach seinen geistigen Fähigkeiten, seinem Gesundheitszustand und den sonstigen Umständen des Falls. Pflichtverteidigerbestellung ist schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 140 Rn. 30). Dies ist hier der Fall. Der Angeklagte steht wegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung von emotionell instabiler Persönlichkeit vom impulsiven Typus (F 60.30) und schizoider Persönlichkeitsstörung (F 60.1) sowie einer feststellbaren alkoholischen Wesensänderung (F 10.2) und damit verbundener eingeschränkter Geschäftsfähigkeit unter Betreuung mit dem Wirkungskreis Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Sozialleistungsträgern. Der Angeklagte ist damit nicht in der Lage, sich um elementare Angelegenheiten seines Lebens selbständig zu kümmern. Es bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel an seiner Fähigkeit zur Selbstverteidigung.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgericht - Strafrichter - Amberg zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat, dass zur Beurteilung der Schuldfähigkeit die Erholung eines Sachverständigengutachtens zwingend geboten erscheint. Bei einer erneuten Strafzumessung ist auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zwischenzeitlich Strafhaft verbüßt hat.
Fundstellen