Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelstrafrecht: Erwerb, Feststellungen zum Mindestschuldumfang, Psilocin- bzw. psilocybinhaltiger Pilze
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Erwerb psilocin- bzw. psilocybinhaltiger Pilze erfüllt grundsätzlich den Tatbestand der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. Anlage I zum BtMG. Die frühere Streitfrage, ob Pilze als "Pflanzen" im Sinne des BtMG anzusehen sind (vom BayObLG insoweit zutreffend bejaht, vgl. BayObLGSt 2002, 135), ist nunmehr auch durch den Gesetzgeber geklärt, der mit der 19. BtMÄndV vom 10.3.2005 die bis dahin in der Anlage I verwendeten biologischen Begriffe durch den Oberbegriff "Organismen" ersetzt hat.
2. Die Angabe lediglich der Rohmenge an Frischpilzen mit der Feststellung, diese hätten eine berauschende Wirkung gehabt, lässt offen, welche Wirkstoffmenge an Psilocin, bzw. Psilocybin der Tatrichter tatsächlich seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Damit darf er sich nicht begnügen, weil zum Nachteil des Angeklagten nur die sicher festgestellte Mindestmenge herangezogen werden darf. Auch alleine durch die Bezeichnung der Pilze als "Stropharia Cubensis" steht der Wirkstoffgehalt nicht fest. In den Pilzen ist der Wirkstoffgehalt (meist Psilocybin) nach Pilzart und Exemplaren unterschiedlich; bei frischen Pilzen liegt er zwischen 0,01 % und 0,1 %.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 12.06.2006) |
AG Regensburg (Urteil vom 13.04.2006) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht Regensburg hat den Angeklagten am 13.4.2006 wegen "vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in zwei tatmehrheitlichen Fällen" zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35 EUR verurteilt. .
Das Landgericht Regensburg hat die (auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte) Berufung der Staatsanwaltschaft und die Berufung des Angeklagten am 12.6.2006 als unbegründet verworfen.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat bereits mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zu Beginn des Jahres 2005 über das Internet bei einer in den Niederlanden ansässigen Firma zunächst "1000 Gramm Frischpilze Stropharia Cubensis", einige Wochen später bei derselben Firma "2000 Gramm Frischpilze Stropharia Cubensis" bestellt und diese auch erhalten hat und dass diese Pilze "psilocin- und psilocybinhaltig" waren. Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Landgericht aus, es könne der Einlassung des Angeklagten keinen Glauben schenken, dass dieser "keinen richtigen Rauschzustand verspürt" habe.
Diese bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen nicht ausreichend den Schuldumfang der Taten des Angeklagten erkennen. Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Tat bezieht, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung; es ist für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich im Betäubungsmittel befunden haben.
In Betäubungsmittelstrafsachen muss der Tatrichter daher grundsätzlich entweder konkrete Feststellungen zur Gewichtsmenge und zum Wirkstoffgehalt des Rauschgifts treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Menge und Qualität ausgehen, die nach den Umständen in Betracht kommen. Auch wenn eine nachträgliche Wirkstoffbestimmung - wie im vorliegenden Fall - nicht mehr möglich ist, darf der Tatrichter diese Frage nicht offen lassen. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung anderer hinreichend sicher feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes "Im Zweifel für den Angeklagten" feststellen, von welchem Mindestwirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels auszugehen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLGSt 1999, 99; 2002, 33). Die Angabe lediglich der Rohmenge an Frischpilzen mit der Feststellung, diese hätten eine berauschende Wirkung gehabt, lässt offen, welche Wirkstoffmenge an Psilocin, bzw. Psilocybin der Tatrichter tatsächlich seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Damit darf er sich nicht begnügen, weil zum Nachteil des Angeklagten nur die sicher festgestellte Mindestmenge herangezogen werden darf. Auch alleine durch die Bezeichnung der Pilze als "Stropharia Cubensis" steht der Wirkstoffgehalt nicht fest. In den Pilzen ist der Wirkstoffgehalt (meist Psilocybin) nach Pilzart und Exemplaren unterschiedlich; bei frischen Pilzen liegt er zwischen 0,01 % und 0,1 % (vgl. Weber BtMG 2. Aufl. § 1 Rn. 365).
Entsprechende Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt im angesprochenen Sinne sind allenfalls im Bereich der Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG entbehrlich, für dessen Voraussetzungen es nach den bisherigen - unvollständigen - Feststellungen keine Anhaltspunkte gibt. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung zum Begriff der geringen Menge, dass diese bis zu drei Konsumeinheiten eines Probierers umfasst...