Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Vater aus eigener Anschauung keinen Einblick in die Entwicklung, Bedürfnisse und Lebensumstände seines Kindes, weil er wenige Monate nach der Geburt des Kindes verhaftet und nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe mit der Folge eines Wiedereinreiseverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthaltsG in sein Heimatland abgeschoben worden ist, spricht dies für die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter, die einen Kontakt zum Vater ablehnt.
2. Die Bereitschaft des abgeschobenen Vaters, der Mutter eine Vollmacht in Angelegenheiten des Kindes zu erteilen, spricht unter den Umständen zu 1. ebenso wenig gegen eine Übertragung der Sorge auf die Mutter wie gelegentliche Kontakte des Vaters mit dem Kind durch Telefonate über Skype.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 21.01.2011; Aktenzeichen 107 F 1346/10) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Nürnberg vom 21.1.2011 wird zurückgewiesen.
II. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin eventuell im Beschwerdeverfahren entstandene Kosten zu erstatten.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am ... geborene Antragstellerin, die deutsche Staatsangehörige ist, und der am ... geborene Antragsgegner, der die armenische Staatsangehörigkeit hat, sind die Eltern des am ... geborenen Kindes ...
Der damals in ... lebende Antragsgegner hat bereits am 9.6.2004, also ca. 7 Monate vor der Geburt des Kindes, mit Zustimmung der Antragstellerin die Vaterschaft gegenüber dem Standesamt ... anerkannt. Am 4.8.2004 haben die Antragstellerin und der Antragsgegner beim Jugendamt der Stadt ... Sorgeerklärungen nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB für das später geborene Kind abgegeben.
Am 30.12.2005 wurde der Antragsgegner in ... verhaftet und zunächst in die JVA. verbracht. Mit Urteil des LG ... vom 9.5.2006 wurde er wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seit 23.6.2006 verbüsste der Antragsgegner die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe in der JVA. Im September 2008 wurde er nach Armenien abgeschoben.
Seitdem besteht ein hinsichtlich der Intensität zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner umstrittener Kontakt des Antragsgegners zu seinem Sohn ... durch Telefonate über das Internet.
Der Vater und die Schwester des Antragsgegners leben in ..., die Mutter in ...
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz darf ein Ausländer, der abgeschoben worden ist, grundsätzlich nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen. Dieses Wiedereinreiseverbot wird nach § 11 Abs. 1 Satz 3 und 4 Aufenthaltsgesetz auf Antrag in der Regel befristet.
Am 9.4.2010 hat die Antragstellerin beim AG ... beantragt, ihr die elterliche Sorge für das Kind ... alleine zu übertragen.
Zur Begründung dieses Antrages hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass sie und ... keinerlei Kontakt mehr zum Antragsgegner haben wollten, der Antragsgegner nicht mehr nach Deutschland zurückkehren werde und in Armenien eine Frau suche, ... auch wegen der Inhaftierung des Antragsgegners keinen Bezug zu diesem habe und die gemeinsame Sorge in Zukunft zu Problemen führen werde, etwa in schulischen Angelegenheiten oder wenn sie für das Kind einen Pass benötige oder ein Sparbuch anlegen wolle.
Bisher habe es noch keine konkreten Probleme gegeben.
Mit einem am 22.4.2011 eingegangenen Schreiben hat die Antragstellerin eine - in einem Schreiben vom 7.5.2010 ergänzte - Anschrift des Antragsgegners in Armenien sowie die Anschrift von dessen Vater und Schwester in ... angegeben und weiter mitgeteilt, dass sich der Antragsgegner zuletzt am 10.1.2010 über das Internet bei ... gemeldet habe.
Während das AG Nürnberg versuchte, dem Antragsgegner die bis dahin angefallenen Schriftstücke in Armenien zustellen zu lassen bzw. die Voraussetzungen für eine solche Zustellung zu schaffen, hat sich mit Schriftsatz vom 29.11.2010 Rechtsanwalt ... aus ... für den Antragsgegner angezeigt, der den Antragsgegner auch gegenüber dem Ausländeramt der Stadt ... vertritt.
Dieser hat mit Schriftsatz vom 13.12.2010 beantragt, den Sorgerechtsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen und zur Begründung dieses Antrags im Wesentlichen vorgetragen:
Der Antragsgegner nehme, auch über entsprechende Berichte seiner Schwester und seiner Mutter, an der Entwicklung seines Sohnes teil. Dieser kenne den Antragsgegner und dessen Eltern und Schwester. Unter den Bedingungen der gegebenen Möglichkeiten unterhalte er Kontakt zu seinem Kind. Dieses könne zwar von sich aus angesichts seines Alters noch keinen Kontakt zum Vater aufnehmen. Dies werde sich aber unabhängig von den Einreisemöglichkeiten des Antragsgegners in den nächsten Jahren ändern.
Die Antragstellerin habe keine Gründe vorgetragen, die eine Sorgerechtsübertragung rechtfertigen könnten. Insbesondere habe es offenbar in der Vergangenheit kein einziges nicht lösbares ...