Leitsatz (amtlich)
Bei einer auf Bezahlung des restlichen Kaufpreises gerichteten Klage und einer auf Auflassung gerichteten Widerklage besteht keine wirtschaftliche Identität im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Ist zwischen den Parteien eine im Vergleich zum Verkehrswert des Grundstücks nur eine verhältnismäßig geringe Kaufpreisrestforderung streitig, von welcher die Zustimmung zur Auflassung abhängig gemacht wird, ist nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO (nur) der Wert der streitigen Gegenforderung maßgeblich.
Normenkette
GKG § 45 Abs. 1, § 48; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 12 O 4577/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.03.2022, Az. 12 O 4577/20, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung des restlichen Kaufpreises für eine Wohnung in Höhe von 7.218,23 EUR. Grundlage dieser Forderung war der Kaufvertrag vom 13.08.2014 (Anlage K1). Der in IV. "Kaufpreis" vereinbarte Kaufpreis für die Wohnung betrug insgesamt 206.235 EUR. In VI. "Verpflichtung zur Auflassung" vereinbarten die Parteien, dass sie sich verpflichten, die Einigung über den Eigentumsübergang (Auflassung) zu vereinbaren, sobald der Käufer den Kaufpreis bezahlt und alle sonstigen Verpflichtungen aus diesem Vertrag erfüllt hat.
Widerklagend verlangte die Beklagte von der Klägerin, eine Auflassungserklärung abzugeben und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.
Mit Beschluss vom 09.03.2022 hat das Landgericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Vergleich zustande gekommen ist, nach dem die Parteien sich u.a. einig sind, dass von der noch offenen Fertigstellungsrate in Höhe von 7.218,23 EUR ein Teilbetrag in Höhe von 3.125,00 EUR zur Abgeltung und Erledigung sämtliche Mängel im Sondereigentum verwendet wird und die Beklagte hinsichtlich des weiteren Teilbetrags in Höhe von 3.125,00 EUR Verjährungsverzicht erklärt. Die Klägerin sollte die Auflassung erklären und die Eintragung der Beklagten als Eigentümerin in das Grundbuch. Der Streitwert wurde auf 14.436,46 EUR festgesetzt.
II. Die zulässige Streitwertbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend die Streitwerte der Klage und der Widerklage addiert und den Streitwert auf 14.436,46 EUR festgesetzt.
1. Gemäß § 45 Abs. 1, S. 1, 3 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet, wenn sie nicht denselben Gegenstand betreffen.
a) Nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten "Identitätsformel" besteht zwischen dem Gegenstand des Haupt- und eines Hilfsantrags wirtschaftliche Identität, wenn beiden, das durch die Antragstellung hergestellte Eventualverhältnis hinweggedacht, nicht gleichzeitig stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zöge (BGH, Urteil vom 08.08.2017 - X ZR 101/16 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 26.09.2019 - V ZR 285/18 -, juris)
b) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass in einem Fall wie dem vorliegenden keine wirtschaftliche Identität im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG besteht. Es ist möglich, dass sowohl die auf Bezahlung des restlichen Kaufpreises gerichtete Klage als auch die auf Auflassung gerichtete Widerklage Erfolg haben, so dass die Klage und die Widerklage verschiedene Gegenstände haben (im Ergebnis so auch Elzer in: Toussaint, Kostenrecht, 51. Auflage 2021, § 45 GKG, Rn. 16, m.w.N.). Die Parteien streiten hier über den Bestand wechselseitiger vertraglicher Verpflichtungen. Auf deren Erfüllung ist das jeweilige Klagebegehren (Interesse) gerichtet. Dass der Geldwert dieser Verpflichtungen bei einer Saldierung den höheren Wert der Einzelverpflichtung nicht übersteigen kann, ist - wie auch sonst, etwa bei Zurückbehaltungsrecht - unerheblich (Kurpat in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Klage und Widerklage, Rn. 2_2531, m.w.N.).
2. Nur am Rande sei angemerkt, auch wenn es darauf nicht entscheidend ankommt, auch weil die Parteien die Streitwertfestsetzung insofern nicht angreifen, dass das Landgericht - in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung - den Streitwert hinsichtlich der Widerklage zutreffend nicht auf den Verkehrswert des Grundstücks, sondern auf den Wert der restlichen Kaufpreisforderung festgesetzt hat. Damit hat das Landgericht eine für die Beklagte günstige Entscheidung getroffen. Die Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden der Streitwert hinsichtlich der Auflassungsklage dem Verkehrswert des Grundstücks oder dem Wert der restlichen Kaufpreisforderung entspricht, ist jedoch streitig.
a) In etlichen, in der Regel deutlich älteren obergerichtlichen Entscheidungen wurde die Auffassung vertreten, der Streitwert einer auf die Eigentumsverschaffung gerichteten Auflassungsklage se...