Leitsatz (amtlich)
Zum Ehezeit-Ende bei Rücknahme des Scheidungsantrags bei unterlassener Zustellung des Gegenantrags
Normenkette
FamFG § 114 Abs. 4 Nr. 3; VersAusglG § 3 Abs. 1; ZPO § 261 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 103 F 2170/13) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Anstalt des öffentlichen Rechts, wird der Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 04.08.2021 in Nummer 2 abgeändert und der sechste Absatz wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Anstalt des öffentlichen Rechts (VBL klassik, Vers. Nr. ...) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 2,19 Versorgungspunkten nach Maßgabe des § 32a VBL-Satzung in der Fassung der 28. Satzungsänderung, bezogen auf den 30.06.2013, übertragen.
II. Von einer Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Der am ... geborene Antragsteller und die am ... geborene Antragsgegnerin schlossen am 15.11.1985 vor dem Standesbeamten des Standesamtes ... die Ehe.
Im Laufe der Ehezeit erwarben beide Ehegatten Versorgungsanwartschaften aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Anstalt des öffentlichen Rechts (VBL klassik).
Hinsichtlich des am 31.07.2013 zugestellten Scheidungsantrags des Antragstellers, der von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eingereicht worden ist, hat dieser mit am 24.07.2021 bei Gericht eingegangenen privatschriftlichen Schreiben die Rücknahme erklärt. Mit Schriftsatz vom 09.04.2021, der am selben Tag beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen ist, hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin für diese einen eigenen Scheidungsantrag gestellt. Dieser ist der Gegenseite nicht zugestellt, sondern nur formlos mitgeteilt worden. Mit Endbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 04.08.2021 wurde die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt worden.
Der Entscheidung des Familiengerichts ist eine Auskunft der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vom 14.06.2021 (Bl. 87/90 d. Sonderheftes Va) zum Anrecht der Antragsgegnerin VBL klassik voraus gegangen. Der berechnete Ehezeitanteil ist mit 5,40 Versorgungspunkten angegeben, als Ausgleichswert der Wert von 2,19 Versorgungspunkten vorgeschlagen und der korrespondierende Kapitalwert mit 955,09 EUR angegeben worden.
In ihrer Auskunft vom 23.06.2021 über das Anrecht des Antragstellers VBL klassik (Bl. 101/104 d. Sonderheftes VA) hat die VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder den berechneten Ehezeitanteil mit 107,92 Versorgungspunkten angegeben und als Ausgleichswert den Wert von 58,45 Versorgungspunkten vorgeschlagen. Den korrespondierenden Kapitalwert hat sie mit 23.382,57 EUR angegeben.
Das Amtsgericht hat das Anrecht des Antragstellers ausgeglichen, dasjenige der Antragsgegnerin hingegen nicht. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Versorgungsanwartschaft der Antragsgegnerin nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.234,00 EUR überschreite und daher gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen werde.
Gegen diesen, der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder am 10.08.2021 zugestellten Endbeschluss wendet sie sich mit ihrer am 08.09.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Zur Begründung führt die Beschwerdeführerin aus, die Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG finde auf Anrechte gleicher Art i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG keine Anwendung, so dass auch die Versorgungsanwartschaft der Antragsgegnerin zu teilen sei.
Die übrigen Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Von Seiten des Antragstellers sind keine Einwendungen gegen die Beschwerde vorgebracht worden. Die Antragsgegnerin meint, dass die Entscheidung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei Geringfügigkeit dem Familiengericht obliege, welches hinsichtlich der Fälle des § 18 Abs. 1 VersAusglG und § 18 Abs. 2 VersAusglG ein Ermessen habe.
Gegen die Absicht des Senats, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wurden von den Beteiligten keine Einwände erhoben.
II. 1. Die Beschwerde der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ist statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde (§ 63 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG) und die VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder durch die Entscheidung des Amtsgerichts bezüglich des bei ihr bestehenden Anrechts auch beschwert ist, § 59 Abs. 1 FamFG. Die Rechtsstellung eines Versorgungsträgers ist in den Fällen einer unrichtigen Beurteilung der gesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen von § 18 VersAusglG beeinträchtigt (vgl. BGH, FamRZ 2013, 612 Rn. 20).
Auf den Beschwerdewert kommt es gem. § 228 FamFG nicht an, ...