Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Auseinandersetzung mit §§ 21, 64 StGB als Urteilsmangel in BtM-Sachen
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Zwar begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein noch nicht eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Eine derartige Folge ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schwerster Persönlichkeitsveränderung geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt im Zustand eines aktuellen Rausches verübt
b) Wurden allerdings über einen längeren Zeitraum - erhebliche - Persönlichkeitsstörungen beim Angeklagten festgestellt und die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht, muss sich der Tatrichter damit auseinandersetzen, ob der Angeklagte die vorgeworfene Tat unter Einschränkung der Schuldfähigkeit begangen hat.
2. Letzteres gilt nicht weniger für die Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB, deren Unterlassen den Angeklagten beschwert, was sich bereits daraus ergibt, dass eine nach § 64 StGB angeordnete Maßregel nach § 67 Abs. 4 StGB bis zu zwei Drittel auf die Freiheitsstrafe angerechnet werden könnte, während die im vorliegenden Fall vom Angeklagten freiwillig absolvierte Entzugsbehandlung nicht angerechnet werden darf.
Verfahrensgang
LG Ansbach (Urteil vom 09.10.2007) |
AG Ansbach (Urteil vom 26.04.2007) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 9. Oktober 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Ansbach zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Ansbach hat den Angeklagten am 26.4.2007 wegen "vorsätzlich unerlaubten Veräußerns von Betäubungsmitteln in 2 Fällen, davon 1 Fall in Tateinheit mit vorsätzlich unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, vorsätzlich unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in 4 Fällen, vorsätzlich unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 27 Fällen und unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.
Seine hiergegen eingelegte Berufung, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, hat das Landgericht Ansbach am 9.10.2007 als unbegründet verworfen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und begründet; sie führt - trotz der an sich sehr sorgfältigen, eingehenden Begründung - wegen des Vorliegens von Rechtsfehlern zur Aufhebung des angefochtenen, nur den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Urteils des Landgerichts.
1. Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (ständige Rechtssprechung des Senats, vgl. OLG Nürnberg ZfSch 2006, 288; StraFo 2007, 339 f.; je mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall war die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam, da die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts eine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch und die Rechtsfolgenentscheidung bilden.
Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch waren die Feststellungen zum Sachverhalt bindend und der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und einer Nachprüfung und der eigenen Beurteilung des Landgerichts entzogen. Der Schuldspruch unterliegt deshalb keiner revisionsrechtlichen Überprüfung.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand, weil das Landgericht, obwohl es sich dazu gedrängt sehen musste, nicht geprüft hat, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB und die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB vorliegen.
a) Bereits das Amtsgericht hat zu den Taten des Angeklagten folgende Feststellungen getroffen (AU S. 3): "Der Angeklagte wurde schon vor 2005 von Betäubungsmitteln, vor allem Ecstasy, abhängig. Aufgrund dieser Abhängigkeit tätigte er trotz seiner Kenntnis fehlender Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln zwischen 04.05.2006 und 20.10.2006 ### folgende Geschäfte".
Das Landgericht (BU S. 5) hat weiter festgestellt: "Seit 13. August 2007 befindet sich der betäubungsmittelabhängige Angeklagte in der ...-Klinik ... zur Durchführung einer stationären Drogenrehabilitationsbehandlung, welche voraussichtlich bis 13. Februar 2008 dauert".
Bei der Strafzumessung (BU S. 15, 17) ist das Landgericht ebenfalls von Betäubungsmittelabhä...