Leitsatz (amtlich)
1. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist der (potentielle) leibliche Vater nicht berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, wenn zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
2. Der (potentielle) leibliche Vater hat auch keinen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung.
Normenkette
BGB §§ 1598a, 1600; EMRK Art. 8
Verfahrensgang
AG Erlangen (Beschluss vom 11.06.2012; Aktenzeichen 3 F 460/12) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Erlangen vom 11.6.2012 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,- Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller und die weitere Beteiligte zu 1) (Mutter), die mit dem weiteren Beteiligten zu 2) (Vater) verheiratet ist, hatten von August 2009 bis Dezember 2011 eine außereheliche Beziehung. Am ... wurde das Kind B. L. (weiterer Beteiligter zu 3) geboren. In der Empfängniszeit hatten der Antragsteller und die Mutter unstreitig, was der Antragsteller auch eidesstattlich versichert hat, Geschlechtsverkehr.
Während dieser Zeit lebten die Mutter und der Vater, die zwei weitere gemeinsame minderjährige Kinder haben, ehelich zusammen. Im Empfängniszeitraum hatte die Mutter auch Geschlechtsverkehr mit dem Vater, ihrem Ehemann. Die Eheleute leben nicht getrennt.
Der Antragsteller trägt vor, er sei der leibliche Vater des weiteren Beteiligten zu 3). Davon sei auch die Mutter vor und einige Zeit nach der Geburt des Kindes ausgegangen. Er habe eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind, da er in dem Zeitraum von kurz nach dessen Geburt bis Dezember 2011 mit diesem intensiven Kontakt gehabt habe. Demgegenüber bestehe keine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum weiteren Beteiligten zu 2). Es wird bestritten, dass dieser dauerhaft Verantwortung für das Kind trägt.
Der Antragsteller hat deshalb in erster Instanz beantragt, festzustellen, dass das Kind B. nicht das Kind des weiteren Beteiligten zu 2), sondern sein Kind ist. Hilfsweise hat er beantragt, dass das Kind B. verpflichtet wird, in die genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer Speichelprobe, hilfsweise Blutprobe, zu dulden.
Die beteiligten Eltern haben in erster Instanz Zurückweisung der Anträge beantragt.
Das AG - Familiengericht - Erlangen hat mit Beschluss vom 11.6.2012 die Anträge des Antragstellers abgewiesen. Seine Entscheidung zur Abweisung des Antrags auf Anfechtung der Vaterschaft hat der Erstrichter damit begründet, dass das Anfechtungsrecht des potentiellen biologischen Vaters unter der Voraussetzung steht, dass zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater i.S.v. § 1592 Nr. 1 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht, § 1600 Abs. 2 BGB. Eine solche sozial-familiäre Beziehung besteht nach § 1600 Abs. 4 BGB, wenn der (rechtliche) Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt. Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung wird vom Gesetz in zwei Fällen widerlegbar vermutet, nämlich wenn der (rechtliche) Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Dieses negative Tatbestandsmerkmal, das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung, sei im Anfechtungsverfahren vom Antragsteller darzulegen und zu beweisen, wobei ein non liquet zu Lasten des Anfechtenden gehe. Der Gesetzgeber räume auf diese Weise dem Familienverband zwischen rechtlichem Vater und Kind den Vorrang gegenüber dem Anfechtungsrecht des biologischen Vaters ein.
Der Antragsteller habe die gesetzliche Vermutung gem. § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB nicht widerlegt. Die Mutter und der Vater seien verheiratet und leben nicht getrennt. Beide Eheleute hätten glaubhaft angegeben, sich wieder versöhnt zu haben, nachdem die Mutter ihre Beziehung zum Antragsteller offen gelegt hatte. Zudem lebe das Kind und auch die Mutter mit dem Vater in häuslicher Gemeinschaft.
Die Abweisung des Hilfsantrags begründet das Erstgericht damit, dass gem. § 1598a Abs. 1 BGB nur der rechtliche Vater i.S.v. § 1592 BGB, die Mutter i.S.v. § 1591 BGB und das Kind jeweils gegenüber den anderen Beteiligten einen Anspruch auf Klärung der Abstammung durch Einholung eines genetischen Abstammungsgutachtens hätten. Für den - möglichen - biologischen Vater bestehe hingegen kein Anspruch auf Klärung der Abstammung. Der leibliche Vater solle nach der Intention des Gesetzgebers den Weg über das Anfechtungsverfahren gehen, um nicht mit seinem "Klärungsinteresse" Zweifel in eine funktionierende soziale Familie "hineintragen" zu können. Dies sei jedenfalls dann sachgerecht, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind bestehe.
Gegen diese Entsch...