Leitsatz (amtlich)

Begehrt der Nutzer eines sozialen Netzwerks eine einstweilige Verfügung, mit der dem Netzwerkbetreiber das endgültige und unwiderrufliche Löschen eines deaktivierten Nutzerkontos und der dazu gespeicherten Daten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens untersagt werden soll, muss er konkrete Anhaltspunkte dafür darlegen und glaubhaft machen, dass der Netzwerkbetreiber eine entsprechende Löschung tatsächlich vornehmen wird und damit der Eintritt eines irreparablen Zustands droht. Hierzu gehört auch die Widerlegung der Erklärung des Betreibers, keine entsprechende Löschung zu beabsichtigen.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 2; ZPO §§ 3, 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Aktenzeichen 2 O 267/22)

 

Nachgehend

OLG Nürnberg (Beschluss vom 03.11.2022; Aktenzeichen 3 U 2178/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 15.07.2022, Aktenzeichen 2 O 267/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Verfügungskläger unterhielt und nutzte seit ca. 2009 ein privates Nutzerkonto bei der das soziale Netzwerk www.facebook.com betreibenden Verfügungsbeklagten. Am 25.01.2022 wurde das Konto des Verfügungsklägers von der Verfügungsbeklagten vollständig deaktiviert. Der Verfügungskläger erhielt dabei am 25.01.2022 folgende Meldung:

((Abbildung))

Der Verfügungskläger versuchte zunächst selbst, die Verfügungsbeklagte zur Wiederherstellung des Nutzerkontos zu bewegen. Darüber hinaus wandte er sich mit Anwaltsschreiben vom 18.02.2022 an die Verfügungsbeklagte und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 25.02.2022 u.a. dazu auf, eine endgültige und unwiderrufliche Kontolöschung zu unterlassen und die Kontoinhalte und -daten bis zum Ausgang eines Hauptsacheverfahrens zu speichern. Hierauf reagierte die Verfügungsbeklagte nicht.

Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 04.03.2022 untersagte das Landgericht Ansbach der Verfügungsbeklagten mit Beschlussverfügung vom 09.03.2022, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens das am 25.01.2022 deaktivierte Nutzerkonto des Verfügungsklägers auf www.facebook.com und die dazu gespeicherten Daten endgültig und unwiderruflich zu löschen. Gegen diese Beschlussverfügung legte die Verfügungsbeklagte Widerspruch ein. Mit Endurteil vom 15.07.2022 hob das Landgericht Ansbach die zunächst erlassene einstweilige Verfügung vom 09.03.2022 auf und wies den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass es dem Verfügungskläger vorliegend an einem Verfügungsgrund fehle, da der Verfügungskläger trotz Kenntnis von der Kontodeaktivierung länger als einen Monat mit der Beantragung einer einstweiligen Verfügung zugewartet hatte.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Verfügungskläger in seiner Berufung. Er beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ansbach vom 15.07.2022, den Widerspruch der Verfügungsbeklagten vom 27.05.2022 gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Ansbach zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Ansbach vom 09.03.2022 zu bestätigen. Die Verfügungsbeklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Verfügungskläger führt u.a. aus, dass konkrete Umstände vorliegen würden, aus denen sich ergebe, dass dem Verfügungskläger kein dringlichkeitsschädliches Verhalten vorgeworfen werden könne. Außerdem habe die Verfügungsbeklagte in anderen Gerichtsverfahren selbst mitgeteilt, dass nach einem bestimmten Zeitraum (die Verfügungsbeklagte lasse offen, wie lange) der Löschvorgang in Bezug auf das Nutzerkonto und alle Nutzerdaten und -inhalte automatisch eingeleitet werde, und dieser lediglich innerhalb von 90 Tagen gestoppt werden könne, um das Konto wiederherzustellen. Danach sei das Konto nach den eigenen Angaben der Verfügungsbeklagten dauerhaft und unwiderruflich gelöscht. Zwar werde eine Entscheidung über die Deaktivierung des Kontos im Einzelfall getroffen, aber die anschließende Löschung der Daten erfolge automatisch, wenn sie nicht aktiv unterbrochen werde. Dem Verfügungskläger könne nicht zugemutet werden, auf die Pauschalbehauptung der Verfügungsbeklagten, dass für ihn trotz der dargestellten Anhaltspunkte für eine drohende Kontolöschung keine Gefahr bestünde, zu vertrauen, zumal die Gefahr einer Datenlöschung allein aufgrund des automatisierten Löschprozesses bestehe. Einzig eine verbindliche Zusicherung, dass die Löschung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gestoppt sei, könne den Verfügungsgrund entfallen lassen.

Die Verfügungsbeklagte führt u.a. aus, dass sie weder behauptet habe noch beabsichtige, das streitgegenständliche Nutzerkonto des Verfügungsklägers und die damit verknüpften Daten dauerhaft vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu löschen. Der klägerische Vortrag gehe über eine allgemeine Besorgnis nicht hinaus und ent...

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