Leitsatz (amtlich)
Bei einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch ohne konkreten Produktbezug scheidet ein Anscheinsbeweis für die Betroffenheit sämtlicher Warenbezüge aus. Es kann allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren.
Bei einem derartigen Informationsaustausch setzt die Darlegung der Kartellbefangenheit dann jedoch Vortrag dazu voraus, dass die streitgegenständlichen Produkte von den Kartellanten zum Gegenstand ihrer Besprechungen gemacht wurden. Darüber hinaus muss in der Regel der Warenbezug (auch) vom Informationsempfänger erfolgen. Erwirbt der Anspruchsteller hingegen lediglich von demjenigen, der Informationen an die anderen Kartellanten weitergab, setzt die Kartellbefangenheit voraus, dass auch der Informationsgeber einen Erkenntnisgewinn erlangte, der ihm - beispielsweise bei Verhandlungen mit dem Anspruchsteller - zugutekam.
Normenkette
GWB §§ 1, 33
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 19 O 9571/14) |
Nachgehend
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.08.2018, Az. 19 O 9571/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
A. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht aufgrund eines Kartellverstoßes im Zusammenhang mit dem sogenannten "HEMA-Vertriebskreis".
I. Folgender Sachverhalt steht für das Berufungsverfahren aufgrund des unstreitigen Tatbestandes des angegriffenen Urteils und der gegen die Beklagten ergangenen und bestandskräftigen Bußgeldbescheide fest:
1. Die Klägerin ist ein Discounter und vertreibt in ca. 1.450 Einzelhandelsfilialen in Deutschland überwiegend Lebensmittel, aber auch Gebrauchsgegenstände an Endverbraucher.
Die mit der Klägerin wirtschaftlich verbundene G... R... Stiftung & Co. Lebensmittelfilialbetrieb KG (im Folgenden "Zedentin") hat etwaige ihr gegenüber der Beklagten bestehenden Ansprüche an die Klägerin mit Vereinbarung vom 13.12.2014 abgetreten und die Klägerin außerdem vorsorglich zur Einziehung dieser Ansprüche ermächtigt.
Die Beklagten vertreiben verschiedenste Produkte insbesondere im Nahrungs- und Genussmittel- sowie Konsumgüterbereich.
2. Gegen die Beklagten führte das Bundeskartellamt unter dem Aktenzeichen B... ein Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit dem sogenannten "HEMA-Vertriebskreis".
a) In dem gegen die Beklagte zu 5) ergangenen Langbußgeldbescheid (vgl. die Ausführungen unter Ziffer A. I. 2. f) stellte das Bundeskartellamt den für das Kartell sachlich relevanten Markt als den Markt für Schokoladenwaren, Instant-Kaffee sowie Instant-Spezialitäten, Tiernahrung (Hunde - und Katzenfutter), Tiefkühl-Pizza und (mit Einschränkungen) Cerealien/Müsli betreffend den Vertrieb an Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen fest. Die Beklagten sind dabei auf folgenden Märkten gemeinsam tätig:
Schokoladenwaren: Beklagte zu 1), Beklagte zu 5) und außer Tafelschokolade: Beklagte zu 4)
Instant-Kaffee und Instant-Spezialitäten: Beklagte zu 1) und Beklagte zu 5)
Tiernahrung: Beklagte zu 4) und Beklagte zu 5)
Tiefkühl-Pizza: Beklagte zu 3) und Beklagte zu 5)
Cerealien und Müsli: Weites Austauschverhältnis zwischen den Beklagten zu 3) und 5).
b) Gegen die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) ergingen verkürzte Bußgeldbescheide mit folgendem Tatvorwurf (im nachfolgenden Text wurden die Unternehmensnamen aus dem Bußgeldbescheid durch die jeweilige Beklagtenbezeichnung im hiesigen Verfahren ersetzt):
"Der Betroffene S... hat als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) im Zeitraum von Oktober 2005 bis Januar 2008 an allen neun Treffen des "Hema-Vertriebskreises" teilgenommen. Er hat bei den Treffen regelmäßig detaillierte Mitteilungen über die Umsatzentwicklungen der Produktgruppen der Beklagten zu 1) und mit den wichtigsten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels gemacht und solche von den übrigen Teilnehmern erhalten, Informationen über geplante Preiserhöhungen ausgetauscht, über Vermarktungsstrategien des kommenden Jahres gesprochen, Sonderforderungen des Handels diskutiert und Informationen über den Stand der Jahresgespräche und die konkreten vom Handel erhobenen Forderungen mit den anderen Teilnehmern ausgetauscht."
"Der Betroffene S... hat zunächst als Geschäftsführer der Beklagten zu 2), ab Januar 2006 als Geschäftsbereichsdirektor an mindestens einem Treffen des sogenannten "Hema-Vertriebskreises" teilgenommen und hat sich jedenfalls im Jahr 2006 noch mit Herrn S... von der Beklagten zu 1) über Inh...