Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenstreitwert der Auflassungsklage richtet sich dann, wenn der weit überwiegende Teil des Kaufpreises bereits bezahlt ist und die Auflassung nur mit der Begründung verweigert wird, der Auflassungsanspruch sei wegen des offenen Restes noch nicht fällig, nach der Höhe des streitigen Restkaufpreises. Der verfassungsrechtlich garantierte Justizgewährungsanspruch steht einer Streitwertbemessung nach dem Verkehrswert des Grundstücks entgegen und gebietet eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.
Normenkette
GKG § 48 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 3, 6
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen 4 O 2415/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagtenvertreter gegen den Streitwertbeschluss des LG Regensburg vom 8.9.2010 - 4 O 2415/09, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Kläger begehren mit ihrer Klage von der Beklagten die Auflassung eines Grundstücks (Reihenhausparzelle) und die Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.
Der Kaufpreis des im Beurkundungszeitpunkt noch nicht vermessenen, ca. 298 m2 großen Grundstücks wurde im notariellen Vertrag auf 224.600 EUR festgelegt. Abweichungen der Grundstücksgröße sollten ausweislich des Vertragstextes nach dem Ergebnis der amtlichen Vermessung mit 553,35 EUR/m2 auszugleichen sein. Die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der Auflassungserklärung wurde von der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises abhängig gemacht. Den beurkundeten Kaufpreis von 224.600 EUR haben die Kläger bezahlt, nicht jedoch die Nachforderung der Beklagten i.H.v. 7.193,55 EUR für die nach durchgeführter Vermessung um 13 m2 größere Grundfläche.
Die Beklagte begründet ihren Klageabweisungsantrag mit mangelnder Fälligkeit des Auflassungsanspruchs, da der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt sei. Im Rahmen der Widerklage beantragt sie die Verurteilung der Kläger zur Zahlung von 7.193,55 EUR.
Die Kläger tragen demgegenüber vor, dass die tatsächliche Grundstücksgröße bei der notariellen Beurkundung bereits bekannt gewesen sei, so dass eine Mehrforderung nicht berechtigt sei. Die Beklagte sei zur Auflassung und Eintragungsbewilligung verpflichtet.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Vergleich geschlossen mit dem Inhalt, dass die Kläger weitere 4.300 EUR zahlen und dass anschließend von der Beklagten die Auflassung erklärt wird.
Das LG Regensburg hat den Streitwert mit Beschluss vom 8.9.2010 auf insgesamt 14.387,10 EUR festgesetzt (Klage und Widerklage je 7.193,55 EUR). Bei der Bemessung des Streitwerts für die Klage ist es von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgegangen. Der eingeklagte Auflassungsanspruch an sich sei nicht streitig. Der Rechtsstreit drehe sich ausschließlich um die Frage, ob der Beklagten wegen der um 13 m2 größeren Grundfläche ein zusätzlicher Kaufpreis zustehe oder nicht. Nur der insoweit geltend gemachte Betrag von 7.193,55 EUR stehe "in Streit" und sei somit streitwertbestimmend.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beklagtenvertreter aus eigenem Recht. Sie beantragen, den Gebührenstreitwert auf bis zu 230.000 EUR festzusetzen. Der Gebührenstreitwert richte sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks, der vorliegend - nach dem geschlossenen Vergleich - mit 228.900 EUR anzusetzen sei. Die Beklagte habe sich mit dem Einwand fehlender Fälligkeit verteidigt.
II. Die Beschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
In Rechtsprechung und Literatur gehen die Meinungen darüber auseinander, ob sich der Gebührenstreitwert bei einer Auflassungsklage ausnahmslos nach dem Verkehrswert des Grundstücks richtet oder bei Verweigerung der Auflassung wegen einer geringfügigen Gegenforderung nach deren Höhe.
Nach wohl noch herrschender Auffassung bestimmt sich der Gegenstandswert bei Klagen auf Erteilung der Auflassung auch dann nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO, wenn die Auflassung allein wegen eines verhältnismäßig geringfügigen Gegenanspruchs verweigert wird (Wöstmann in MünchKomm/ZPO; 3. Aufl., § 3 Rz. 35; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 48 GKG Anh. I (§ 6 ZPO) Rz. 2 "Auflassung"; aus der Rechtsprechung u.a. OLG Nürnberg MDR 1995, 966; weitere Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rz. 16 "Auflassung"). Denn nur dadurch sei die mit § 6 ZPO bezweckte berechenbare, einheitliche und einfache Bewertungspraxis gewährleistet und dem Grundsatz, dass Einwendungen und Gegenrechte des Beklagten unberücksichtigt zu bleiben haben, Rechnung getragen.
Nach einer im Vordringen befindlichen Gegenmeinung (OLG Stuttgart MDR 2009, 2353; KG NJW-RR 2003, 787; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rz. 18, § 6 Rz. 4; Zöller-Herget, a.a.O., je m.w.N.) gilt zwar grundsätzlich § 6 ZPO, wonach der Verkehrswert des Grundstücks zur Zeit der Klageerhebung maßgebend ist. Wird jedoch die Auflassung wegen einer geringfügigen Rest- bzw. Gegenforderung verweigert, so ist nach § 3 ZPO deren Höhe maßgebend. Durch die Heranziehung der flexibleren Vorschrift des § 3 ZPO und durch das ...