Leitsatz (amtlich)
Es gibt jedenfalls derzeit kein allgemeines Verkehrsbewusstsein, dass das Tragen von Motorradschuhen zum eigenen Schutz eines Motorradfahrers erforderlich ist. Daher ist ein Mitverschulden eines verletzten Motorradfahrers, der im Unfallzeitpunkt Sportschuhe trug, aus diesem Grunde zu verneinen.
Normenkette
StVG §§ 7, 17-18; VVG § 115; BGB § 254 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ansbach (Urteil vom 09.07.2012; Aktenzeichen 2 O 98/11) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Grund- und Teilurteil des LG Ansbach vom 9.7.2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.962,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall vom 11.6.2010, bei dem der Kläger als Fahrer eines Motorrades mit einem vom Beklagten zu 1) gesteuerten und bei der Beklagte zu 2) versicherten Pkw kollidierte.
Am Unfalltag fuhr der Kläger mit seinem Motorrad auf der R. Straße in W. Der Beklagte zu 1) parkte mit seinem Fahrzeug aus Sicht des Klägers auf der rechten Straßenseite quer zur Fahrbahnrichtung mit dem Heck zur Fahrbahn und wollte rückwärts aus der Parkbucht ausparken. Rechts neben dem Beklagten zu 1) war ein größeres Fahrzeug geparkt, welches die Sicht des Beklagten zu 1) einschränkte. Beim Ausparken des Beklagten zu 1) kam es zur Kollision mit dem Kläger. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) traf mit dem hinteren Stoßfänger das Motorrad des Klägers auf der rechten Seite im vorderen Bereich. Hierdurch bildete sich am Stoßfänger des Pkw eine Öffnung mit scharfer Kante, in die der rechte Fuß des Klägers geriet. Hierdurch wurde er an diesem Fuß schwer verletzt.
Der Kläger trug zum Unfallzeitpunkt u.a. einen Motorradhelm, eine Motorradjacke, Motorradhandschuhe, eine Arbeitshose und Sportschuhe.
Aufgrund der erlittenen schweren Fußverletzungen musste beim Kläger am 23.6.2010 eine distale Unterschenkelamputation rechts erfolgen.
Mit seiner Klage macht er ein weiteres Schmerzensgeld i.H.v. 45.000 EUR (Klageantrag 1), weitere Schadensersatzansprüche i.H.v. 12.588,29 EUR (Klageantrag 2) geltend und beantragt die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm weiter gehende materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen.
Das LG hat im angefochtenen Grund- und Teilurteil die Klageanträge 1 und 2 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger weiter gehende immaterielle und materielle Schäden aus dem Unfallereignis vom 11.6.2010 zu ersetzen.
Es hat hierzu ausgeführt, dass die Beklagten zu 100 % haften würden. Einen Verursachungsbeitrag des Beklagten zum Unfallgeschehen hat es nach Erholung eines Sachverständigengutachtens verneint. Es hat weiterhin ausgeführt, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Motorrades aufgrund des schwerwiegenden Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 1) völlig zurücktrete.
Auch hat das LG ein Mitverschulden des Klägers an der Entstehung der Unfallfolgen aufgrund des Tragens von Sportschuhen anstatt fester Motorradschuhe verneint.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie tragen hierzu vor, dass hinsichtlich der Unfallverursachung nach der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme eine Mithaftung des Klägers nicht (mehr) feststellbar sei. Allerdings müsste der Kläger sich ein erhebliches Mitverschulden gegen sich selbst entgegenhalten lassen, da zum Unfallzeitpunkt bereits ein allgemeines Bewusstsein bestanden habe, dass das Tragen von geeigneten Schuhen notwendig sei, um schwere Unfallfolgen zu vermeiden. Hätte der Kläger statt leichter Sportschuhe Motorradstiefel getragen, wäre es nicht zu den schweren Fußverletzungen gekommen. Daher seien die Ansprüche des Klägers um mindestens 50 % zu kürzen. Im Übrigen habe es das LG unterlassen, die Haftung des Beklagten zu 2) auf die vereinbarte Deckungssumme zu beschränken.
Die Beklagten beantragen daher, das Urteil des LG Ansbach vom 9.7.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung.
II. Der Senat weist die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
1. Bezüglich der Mithaftung des Klägers an der Unfallverursachung werden die Feststellungen des LG, die eine solche verneinen, nicht angegriffen. Gegenstand der Berufung ist somit allein die Frage, ob der Kläger sich ein erhebliches Mitverschuld...