Leitsatz (amtlich)

Im selbständigen Beweisverfahren besteht für den Streithelfer auch vor dem LG außerhalb der - fakultativen - mündlichen Verhandlung kein Anwaltszwang.

 

Normenkette

ZPO §§ 70, 78 Abs. 3, § 486 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Beschluss vom 22.12.2010; Aktenzeichen 21 OH 402/10)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Streitverkündeten Dipl.-Ing. K. S. vom 5.1.2011 wird der Beschluss des LG Amberg vom 22.12.2010 abgeändert.

Der Streitverkündete Dipl.-Ing. K. S. wird als Streithelfer der Antragsgegnerin zugelassen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 922 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 13.4.2010 die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt, mit welchem er das Ziel verfolgt, durch Sachverständigengutachten über Mängel an einer Wohnung, welche der Antragsteller von der Antragsgegnerin mit einem "Bauträgervertrag" erworben hat, Beweis erheben zu lassen.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 18.5.2010 neun Subunternehmern, u.a. dem Beschwerdeführer, den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem "Rechtsstreit" auf Seiten der Antragsgegnerin unterstützend beizutreten (Bl. 10 ff. der Akte). Der Beschwerdeführer soll von der Antragsgegnerin mit der Baustatik und damit zusammenhängenden Planungs- und Bauüberwachungstätigkeiten beauftragt gewesen sein.

Mit von ihm selbst unterzeichnetem Schriftsatz vom 16.6.2010 hat der Beschwerdeführer erklärt, er trete dem Rechtsstreit auf Seiten der Antragsgegnerin bei und darum gebeten, ihm alle Schriftsätze, Entscheidungen des Gerichts, Mitteilungen des Sachverständigen und Gutachten zur Verfügung zu stellen sowie ihm Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben (Bl. 58 der Akte).

Mit Beschluss vom 22.12.2010 (Bl. 191 f. der Akte) hat das LG den Streitbeitritt zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Möglichkeit für den Antragsteller in einem selbständigen Beweisverfahren, nach § 486 ZPO den Einleitungsantrag persönlich zu stellen, nicht auf den Streitbeitritt im Beweisverfahren ausgedehnt werden dürfe. Daher bleibe es beim allgemein vor LG geltenden Anwaltszwang.

Gegen diesen ihm am 24.12.2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5.1.2010, eingegangen bei Gericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und angekündigt, kurzfristig eine Begründung nachzureichen (Bl. 198 der Akte).

Mit Verfügung vom 12.1.2011, in welcher erklärt wurde, der Beschwerde werde nicht abgeholfen (Bl. 203 der Akte), hat das LG Amberg die Akte am 17.1.2011 dem OLG Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 204 der Akte).

Mit Schriftsatz vom 19.1.2011, beim OLG Nürnberg eingegangen am 26.1.2011, hat der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, die Beschwerde begründet, verbunden mit der ausdrücklichen Erklärung, die Beitrittserklärung werde hiermit nicht wiederholt, es gehe ausschließlich um die Klärung der Frage, ob im selbständigen Beweisverfahren für den Streithelfer Anwaltszwang bestehe.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie konnte insbesondere entsprechend § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vom Beschwerdeführer selbst eingelegt werden, weil für ihn auch erstinstanzlich kein Anwaltszwang bestand (vgl. zur entsprechenden Anwendung von § 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 922 Rz. 13 für die gleichgelagerte Fragestellung bei Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Arrestantrags, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; zum fehlenden Anwaltszwang im Beweisverfahren in erster Instanz nachfolgend 3.).

3. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Der Beschwerdeführer ist ohne anwaltliche Vertretung wirksam als Streithelfer beigetreten, da der Beitritt zum selbständigen Beweisverfahren auch dann nicht dem Anwaltszwang unterliegt, wenn das Verfahren vor dem LG geführt wird.

a) Die Frage, ob der Streitbeitritt in einem vor einem LG durchgeführten selbständigen Beweisverfahren dem Anwaltszwang unterliegt, hängt davon, in welchem Umfang § 486 Abs. 4 ZPO für Antragsteller und Antragsgegner die Möglichkeit eröffnet, in einem derartigen Verfahren ohne Anwalt tätig zu werden. Ausgangspunkt ist die Frage, ob jene Regelung allein den verfahrenseröffnenden Antrag als solchen vom Anwaltszwang freistellt, so dass für das anschließende Verfahren bei allen Anträgen § 78 Abs. 1 ZPO gilt, oder aber nach dem Sinn und Zweck des § 486 Abs. 4 ZPO das gesamte selbständige Beweisverfahren - auch vor dem LG - ohne anwaltliche Vertretung durchgeführt werden kann, solange nicht mündlich verhandelt wird.

aa) Ganz überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur die letztgenannte Auffassung vertreten (OLG Stuttgart BauR 1995, 135; OLG Schleswig, BauR 1996, 590; OLG Frankfurt MDR 1999, 1223; OLG Celle OLGReport Celle 2002, 129; Cuypers, NJW 1994, 1988; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, ZPO, 69. Aufl., § 486 Rz. 4; MünchKomm/Schreiber, ZPO, 3. Aufl., § 487 Rz. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 78 Rz. 29 mit Rz. 28;...

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