Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzugsöffnende Maßnahmen bei Sicherungsverwahrung in Bayern: Einschätzungsprärogative und Ermessensentscheidung der Anstaltsleitung hinsichtlich der Gewährung von Ausführungen und Grenzen gerichtlicher Nachprüfbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Hierbei handelt es sich um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Die Vollzugsbehörde hat daher hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.
2. Bezüglich der Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen.
Normenkette
BaySvVollzG Art. 54
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 09.03.2015; Aktenzeichen SR StVK 631/14) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten B. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 09. März 2015 in dessen Ziffern 1. bis 3. aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Rechtsbeschwerdeführer ist aufgrund Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.06.2014 (13 KLs 203 Js 12373/03) seit 30.01.2012 in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Seit 25.06.2013 befindet er sich in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Straubing.
Mit Bescheid vom 03.12.2014 lehnte die Justizvollzugsanstalt Straubing den Antrag des Untergebrachten auf Gewährung von Begleitausgang nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG ab. Sie begründete dies mit dargelegten Befürchtungen des Missbrauchs der Vollzugslockerungen durch den Sicherungsverwahrten und mit der Gefahr, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen. Auch stellte sie fest, dass Ausführungen, welche über das gesetzliche Mindestmaß nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG hinausgingen, zwar in Betracht kämen, aber von der Erholung eines Sachverständigengutachtens zu Flucht- oder Missbrauchsgefahren abhingen. Auf die Darlegungen der Justizvollzugsanstalt im genannten Bescheid wird Bezug genommen.
Hiergegen wendete sich der Sicherungsverwahrte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2014, eingegangen bei Gericht am 19.12.2014. Er beantragte, die Justizvollzugsanstalt Straubing unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.12.2014, soweit darin über vier Ausführungen pro Jahr hinaus weitere vollzugsöffnende Maßnahmen versagt worden sind, zu verpflichten, ihm vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, beziehungsweise hilfsweise die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer erneut zu bescheiden. Auf die Ausführungen in der Begründung des Antrags wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 09.03.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.
Gegen den am 13.03.2015 zugestellten Beschluss legte der Untergebrachte mit Schreiben des beigeordneten Rechtsanwalts Scharmer vom 09.04.2015, eingegangen bei Gericht am 13.04.2015, Rechtsbeschwerde ein, welche im selben Schreiben auch begründet wurde.
Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft von 22.04.2015 erwiderte der Rechtsbeschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2015. Auf die jeweiligen Ausführungen wird Bezug genommen.
II.
A. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Sie wurde gemäß Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die grundlegende Klärung bestimmter Rechtsfragen (Laubenthal/Nestler/ Neubacher/...