Leitsatz (amtlich)

Die Aufnahme von Lichtbildern eines Strafgefangenen oder Sicherungsverwahrten als erkennungsdienstliche Maßnahme zur Sicherung des Vollzugs ist auch über den in Nr. 23 Abs. 2 der Vollzugsgeschäftsordnung (VGO) genannten Umfang (Brustbilder, in Zivilkleidung) hinaus grundsätzlich zulässig. Eine entsprechende Anordnung bedarf jedoch im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, letzteres bezogen auf die Erforderlichkeit der beabsichtigten konkreten erkennungsdienstlichen Maßnahme, einer besonderen Begründung.

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Entscheidung vom 01.12.2006; Aktenzeichen StVK 105/06)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... vom 1.12.2006 aufgehoben.

  • 2.

    Es wird festgestellt, dass die Anordnungen der Justizvollzugsanstalt ... vertreten durch den Anstaltsleiter, vom 19.1.2006 und 1.3.2006 rechtswidrig waren.

  • 3.

    Es wird festgestellt, dass die am 24.1.2006 und 7.3.2006 vom Leiter der Justizvollzugsanstalt ... ausgesprochenen Disziplinarmaßnamen rechtswidrig waren.

  • 4.

    Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten versagt.

  • 5.

    Der Beschwerdewert wird auf 400 EUR festgesetzt.

  • 6.

    Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die dem Rechtsbeschwerdeführer entstanden notwendigen Auslagen zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist Sicherungsverwahrter in der Justizvollzugsanstalt ... Vollstreckt wurde zunächst eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten aus der Verurteilung durch die Strafkammer des Landgerichts ... vom 26.1.1996 (Az. 12 Kls 257 Js 67719/04) wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls bis 19.6.2003. Seit 20.6.2003 wird die Maßregel vollzogen.

Am 19.1.2006 wurde der Untergebrachte von einem Vollzugsbediensteten zur Anfertigung von Ganzkörperaufnahmen aufgefordert, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Nachdem er dies verweigerte, wurde am 24.1.2006 als Disziplinarmaßnahme eine Einkaufsperre von einem Monat ausgesprochen und sofort vollzogen.

Am 1.3.2006 wurde der Verurteilte erneut aufgefordert, Fotos fertigen zu lassen, die ihn nur mit einer Unterhose bekleidet zeigen. Dies verweigerte er wiederum unter Hinweis auf Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte. Am 7.3.2006 wurden deswegen folgende Disziplinarmaßnahmen angeordnet: ein Monat Beschränkung/Entzug von der Verfügung über Hausgeld und Einkauf, zwei Wochen Entzug des Fernsehempfangs, zwei Wochen getrennte Unterbringung während der Freizeit. Die Maßnahmen wurden sofort vollstreckt.

Zur Begründung dieser Maßnahmen hat die Justizvollzugsanstalt ... im Schreiben vom 7.3.2006 an die anwaltliche Vertreterin des Rechtsbeschwerdeführers u.a. auf § 86 Abs. 1 StVollzG Bezug genommen und in der Stellungnahme vom 12.4.2006 ausgeführt, dass "die Notwendigkeit der Anfertigung von Lichtbildern zur Sicherung des Vollzugs bei diesem Sicherungsverwahrten unabdingbar" und "demzufolge das Nichtbefolgen der Anordnung dieser Maßnahmen auch entsprechend als Disziplinarverstoß zu würdigen" ist.

Der Begründung zur Disziplinarentscheidung vom 24.1.2006 (vgl. angefochtener Beschluss Seite 3) ist zu entnehmen, dass "aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt Lichtbilder gefertigt und aktualisiert werden müssen". Zur Disziplinarentscheidung vom 7.3.2006 (vgl. Beschluss Seite 5) ist angeführt, dass "der Gefangene schuldhaft, rw (rechtswidrig), ohne entschuldigende Gründe die rechtmäßige Anordnung eines Bediensteten, sich zu erkennungsdienstlichen Zwecken fotografieren zu lassen, verweigerte" und es sich um einen einschlägigen, wiederholten Verstoß handelte.

Die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... hat mit Beschluss vom 1.12.2006 den Antrag des Sicherungsverwahrten auf gerichtliche Entscheidung vom 23.3.2006 und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Gegen diesen, seiner Bevollmächtigten am 5.12.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die mit Schriftsatz vom 5.1.2007 erhobene Rechtsbeschwerde, eingegangen am selben Tag, mit der Begründung, die angefochtene Entscheidung sei mit § 86 StVollzG nicht vereinbar. Außerdem wird die Aufklärungsrüge erhoben, weil die Strafvollstreckungskammer keine Feststellungen zu besonderen Kennzeichen wie Narben, Tätowierungen etc. getroffen hat, die die angeordneten Ganzkörperaufnahmen als verhältnismäßig erscheinen lassen.

Es werden folgende Anträge gestellt:

  • 1.

    Der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... vom 1.12.2006 - Az. StVK 105/06 - wird aufgehoben.

  • 2.

    Es wird festgestellt, dass die Anordnung des Leiters der JVA ... vom 19.1.2006 und 1.3.2006, sowie die ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen vom 24.1.2006 und 7.3.2006 rechtswidrig waren.

  • 3.

    Dem Beschwerdeführer wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bew...

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