Leitsatz (amtlich)
1. Die Partei kann jederzeit die Entpflichtung des ihr beigeordneten Rechtsanwalts verlangen, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsste.
2. Anspruch auf Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts hat sie jedoch nur, wenn der Staatskasse dadurch keine höheren Kosten entstehen, es sei denn, eine weitere Zusammenarbeit mit dem bisherigen Anwalt war ihr ohne ihr Verschulden nicht mehr zuzumuten.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 1; BRAO § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 O 6958/01) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 23.12.2002 wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 17.12.2002 betr. Anwalts-Beiordnung wie folgt geändert:
1. Auf Antrag des Beklagten wird die Beiordnung des Rechtsanwalts … mit Wirkung vom 17.12.2002 (Zeitpunkt ab Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 9.11.2002, vgl. Sitzungsniederschrift vom 17.12.2002, S. 2) aufgehoben.
2. Stattdessen und im gleichen Umfang wie der bisherige Prozessbevollmächtigte wird dem Beklagten ab dem in Nr. 1 genannten Zeitpunkt Rechtsanwalt Dr. … als Prozessbevollmächtigter beigeordnet, jedoch mit der Einschränkung, dass der Vergütungsanspruch des neu beigeordneten Rechtsanwalts ggü. der Staatskasse der Höhe nach begrenzt wird auf die Differenz zwischen derjenigen Vergütung, die Rechtsanwalt … von der Staatskasse tatsächlich bereits erhalten hat und/oder noch erhalten wird, und derjenigen Vergütung, auf die er Anspruch gehabt hätte, wenn seine Beiordnung aufrechterhalten geblieben wäre.
II. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
III. Für das Beschwerdeverfahren wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
Gründe
Die sofortige Beschwerde, über die nach § 568 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. der Einzelrichter zu entscheiden hat, ist zulässig (§ 567 Abs. 1 ZPO n.F.; vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 127 Rz. 10, 34 a.E.). Das Rechtsmittel ist jedoch nur zum Teil begründet.
I. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Beklagte weiterhin zwei Ziele:
1. Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts …
2. Stattdessen Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. …
Zu 1): (Aufhebung der Beiordnung des Rechtsanwalts …)
a) Das LG hat die beantragte Aufhebung mit der Begründung abgelehnt, dass § 48 Abs. 2 BRAO nur dem beigeordneten Rechtsanwalt das Recht gebe, die Aufhebung seiner Beiordnung zu beantragen, nicht aber der von ihm betreuten Partei. Mit seinem rechtlichen Ansatz befindet sich das LG im Einklang mit einigen anderen Gerichten (z.B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.1.2002 – 9 WF 232/00, FamRZ 2002, 89; OLG Frankfurt MDR 1989, 168; OLG Zweibrücken JurBüro 1994, 749; v. 13.7.1998 – 5 WF 60/98, OLGReport Zweibrücken 1999, 72) und Teilen der Kommentarliteratur Zöller/Philippi, ZPO, § 121 Rz. 34).
b) Nach anderer Rechtsansicht kann auch die Partei selbst die Entpflichtung des ihr beigeordneten Rechtsanwalts beantragen (BVerwG, Beschl. v. 9. 8.2001 – 8 PKH 10/00; OLG Köln JurBüro 1992, 619 f.; JurBüro 1995, 534; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 241 f.; Wax in MünchKomm, 2. Aufl., § 121 Rz. 16; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 121 Rz. 24; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 121 Rz. 3; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe, 7. Aufl., § 121 ZPO Rz. 4; ferner – für den ähnlich gelagerten Fall des Notanwalts, § 78c Abs. 3 ZPO – Zöller/Vollkommer, ZPO, § 78c Rz. 9; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 78c Rz. 5).
c) Der zweiten Rechtsansicht schließt sich auch der Senat an.
aa) Unterstellt, das Verhältnis zwischen einer Partei und dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt ist so zerrüttet, dass ihr eine weitere Vertretung durch diesen Rechtsanwalt nicht zugemutet werden kann, dann muss es ihr möglich sein, von sich aus die Initiative zu ergreifen und auf eine Ablösung des beigeordneten Anwalts hinzuwirken, ebenso wie im umgekehrten Fall der Rechtsanwalt beantragen kann, seine Beiordnung aus wichtigem Grund aufzuheben (§ 48 Abs. 2 BRAGO). Schon aus diesem Grund kann ein eigenes Antragsrecht der Partei nicht rundweg abgelehnt werden, wie dies die Gegenmeinung zu fordern scheint. Ob tatsächlich ein Ablösungsgrund vorliegt, wie von der Partei behauptet, wäre keine Frage der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags, sondern seiner Begründetheit.
bb) Aber auch unabhängig davon, ob sie sich auf eine unheilbare Störung des Vertrauensverhältnisses beruft oder nicht, kann die Partei eines gewöhnlichen Zivilprozesses die Aufhebung der Beiordnung verlangen, wem sie sich entschließt, sich vom bisherigen Anwalt nicht mehr vertreten zu lassen (OLG Köln JurBüro 1992, 619; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 121 Rz. 24; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 78c Rz. 5).
Jedenfalls in Verfahren, die der Parteiherrschaft unterliegen, besteht kein hinreichender Grund, der Partei einen Rechtsanwalt aufzuzwingen, den sie nicht (mehr) will und auf dessen Entpflichtung sie beharrt. Der Partei steht es frei, ob sie ihr Recht verfolgen bzw. verteidigen oder ob sie sich passiv verhalten und den Dingen ihren Lauf lassen will. Nach § 114 ZPO erhält deshalb eine hil...