Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz, keine Dringlichkeit bei einmonatigem Zuwarten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist im Regelfall widerlegt, wenn der Verletzte mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mehr als einen Monat zuwartet.

 

Normenkette

UWG § 25

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Aktenzeichen 1 O 1638/01)

 

Tenor

I. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens beider Instanzen.

II. Der Streitwertbeschluss der 1. Zivilkammer des LG Regensburg vom 5.9.2001 wird abgeändert.

Der Streitwert des Verfügungsverfahrens erster Instanz beträgt bis zur Abgabe der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung (29.8.2001)

40.000 DM,

danach

21.500 DM.

III. Der Streitwert beträgt für das Berufungsverfahren bis zur Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen (30.10.2001)

21.500 DM,

danach

15.000 DM.

 

Gründe

1. Nachdem sich die Hauptsache durch übeteinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien erledigt hat, ist nur noch darüber zu entscheiden, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat. Die Entscheidung ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen (§ 91a ZPO). Danach waren die Kosten des Verfahrens beider Instanzen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen. Der Verfügungsbeklagte wäre mit seiner Berufung erfolgreich gewesen, da für den Erlass der Urteilsverfügung der Verfügungsgrund fehlte.

Eine einstweilige Verfügung kann nur beantragt werden, wenn eine vorläufige Regelung dringlich ist (§§ 935, 940 ZPO). Allerdings können in Wettbewerbssachen einstweilige Verfügungen gem. § 25 UWG auch dann erlassen werden, wenn die in §§ 935, 940 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach einhelliger Rechtsauffassung stellt § 25 UWG eine Dringlichkeitsvermutung dar, die auf der Erwägung beruht, dass das Vorgehen gegen wettbewerbswidrige Handlungen regelmäßig dringlich ist. Die Vermutung der Dringlichkeit ist jedoch widerlegt, wenn der Antragsteller durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gibt, dass es ihm „mit der Sache nicht so eilt” (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 25 Rz. 15). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er längere Zeit zuwartet, nachdem er vom Wettbewerbsverstoß und der Person des Handelnden Kenntnis erlangt hatte.

In Rechtsprechung und Literatur herrscht Streit darüber, welcher Zeitraum die Vermutung der Dringlichkeit widerlegt. Einigkeit besteht nur insoweit, als es eine bestimmte, generell für alle Fälle geltende Frist nicht geben kann (vgl. etwa OLG Koblenz GRUR 1978, 718; Borck, WRP 1978, 519; Schultz-Süchting in Großkomm/UWG, § 25 Rz. 41). Im Interesse der Praxis haben sich jedoch Regelfristen herausgebildet, die allerdings zwischen den einzelnen OLG deutlich voneinander abweichen (vgl. Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 25 Rz. 15).

Nach Auffassung des Senats muss gerade im Hinblick auf § 21 UWG die Regelfrist deutlich unter der 6-Monate-Grenze liegen, zumal nach der gegenwärtigen Rechtslage dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bzw. deren Erlass keine verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, dass für die Bemessung der Regelfrist als Bewertungsmaßstab der Zeitraum herangezogen werden kann, innerhalb dessen ein Urteil im Hauptsacheverfahren erzielbar wäre (so aber Schultz-Süchting in Großkomm/UWG, § 25 Rz. 42). Darauf abzustellen würde dem gesetzgeberischen Zweck des Verfügungsverfahrens widersprechen, anders als in einer streitigen Hauptsacheklage in einem summarischen Verfahren rasch eine vorläufige Regelung zu erzielen.

In ständiger Rechtsprechung sieht das OLG München die Dringlichkeitsvermutung bei Überschreitung eines Zeitraumes von vier Wochen bzw. einem Monat seit Kenntnis der wettbewerbswidrigen Handlung als widerlegt an (vgl. etwa OLG München WRP 1971, 533; v. 29.7.1980 – 6 W 1509/80, WRP 1981, 49; v. 20.7.1983 – 6 W 1809/83, WRP 1983, 643; v. 19.7.1984 – 6 U 2134/84, WRP 1984, 644; v. 24.9.1992 – 29 U 3969/92, OLGReport München 1993, 152 = WRP 1993, 49). Diese Auffassung ist gelegentlich übernommen worden (vgl. zuletzt OLG Köln NJWE-WettbR 1998, 139 – sechs Wochen zu lang). Der Senat hält im Anschluss an die Rechtsprechung des OLG München eine Regelfrist von einem Monat für ausreichend; ein längeres Zuwarten widerlegt die Dringlichkeitsvermutung. Dieser Zeitraum stellt eine ausreichende Überlegungsfrist dar, innerhalb welcher sich der Verletzte darüber schlüssig werden kann und muss, ob er von den Möglichkeiten eines Verfügungsverfahrens Gebrauch machen will. Dies gilt einschließlich der regelmäßig vorangehenden Abmahnungen. Es entspricht den Erfahrungen des Senats, dass im Regelfall das Abmahnverfahren nach wenigen Tagen abgewickelt ist und dass bei verweigerter Unterwerfungserklärung der Abmahnende umgehend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt. Dies ist ihm auch abzuverlangen, will er sich die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG erhalten. Das Verfahren über die einstweilige Verfügung dient der...

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