Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert nach einer einseitigen Erledigterklärung entspricht jedenfalls dann, wenn sich die Hauptsache durch Erfüllung erledigt hat, in der Regel den bis dahin angefallenen Kosten.
Ab einer nur teilweisen einseitigen Erledigterklärung verringert sich der Gesamtstreitwert auf die Summe aus Resthauptsache und den auf den erledigten Teil entfallenden Kosten; Letztere sind nach der Differenzmethode zu errechnen.
Normenkette
ZPO §§ 3, 91a
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 7 O 1188/01) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Streitwert-Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 19.9.2001 dahin geändert, dass der Streitwert für die Zeit bis zur einseitigen Erledigterklärung in der Sitzung vom 9.5.2001 auf 23.130,84 Euro, für die Zeit danach auf 4.043,54 Euro festgesetzt wird.
II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beschwerde ist zulässig (§ 25 Abs. 2 GKG, §§ 567 ff. ZPO a.F.) und teilweise auch begründet.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das LG den Ausgangs-Streitwert auf 45.240 DM (umgerechnet 23.130,84 Euro) festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Teilwerten von Nr. I des Klageantrags (Räumungsklage; Jahresmiete 12 × 3.480 DM = 41.760 DM, vgl. § 16 Abs. 2 GKG) und Nr. II des Klageantrags (Zahlungsklage über 3.480 DM).
2. Nach Meinung des LG, das sich hierbei auf die ständige Rechtsprechung der Kammer beruft, hat es bei diesem Streitwert auch für die Zeit nach der einseitig gebliebenen (Teil-)Erledigterklärung des Klägers sein Bewenden. Diesem Standpunkt vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen.
a) Die Rechtsansicht, wonach die nur einseitige Erledigterklärung den Streitwert nicht verändert, wird zwar auch von anderen Gerichten geteilt (z.B. OLG Bamberg JurBüro 1992, 762; OLG München NJW-RR 1996, 957; OLG Düsseldorf v. 17.11.1992 – 10 W 61/92, NJW-RR 1993, 510; OLG Köln v. 14.7.1994 – 17 W 145/93, MDR 1995, 103), ebenso von einem Teil der Kommentar-Literatur (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., Anh. § 3 Rz. 49; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, § 91a Rz. 29; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16 „Erledigungserklärung”, Hillach-Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl., § 66 C). Das gilt für die vollständige und die nur teilweise Erledigung gleichermaßen. Auch der erkennende Senat hatte früher diesen Standpunkt vertreten (vgl. OLG Nürnberg v. 25.5.1992 – 4 W 1391/92) oder zumindest dahin tendiert (vgl. OLG Nürnberg v. 21.9.1999 – 4 W 3244/99, wo allerdings der bei positiven Feststellungsklagen übliche Abschlag von 20 % erwogen wurde, aus prozessualen Gründen aber hierzu keine Festlegung erforderlich war).
b) Nach einer ebenfalls weit verbreiteten Meinung (Übersicht bei Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 11. Aufl., Rz. 1505 ff.) führt jedoch auch die nur einseitig gebliebene Erledigterklärung i.d.R. zu einer deutlichen Verringerung des Streitwerts, ebenfalls unabhängig davon, ob der Kläger eine vollständige oder – wie hier – eine nur teilweise Erledigung der Hauptsache geltend macht.
Uneinig sind sich die Vertreter dieser Ansicht lediglich über den Umfang der Verringerung.
aa) Eine Meinung nimmt den bisherigen Hauptsachestreitwert zum Maßstab, macht hiervon aber einen Abschlag, oft von 50 % (OLG Nürnberg – 9. Zivilsenat – v. 9.3.1987 – 9 W 3496/86, NJW-RR 1987, 1278; 13. Zivilsenat v. 6.10.1998 – 13 W 3314/98; OLG Frankfurt v. 29.11.1994 – 22 W 41/94, OLGReport Frankfurt 1994, 263 = MDR 1995, 207; OLG Köln v. 12.1.1994 – 22 W 44/93, OLGReport Köln 1994, 114 = VersR 1994, 954; OLG München v. 11.4.1995 – 11 W 1022/95, OLGReport München 1995, 141 = MDR 1995, 642; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 91a Rz. 47 Fn. 165).
bb) Andere stellen auf das Kosteninteresse ab und bemessen den Streitwert folgerichtig nach den bisher angefallenen Kosten (BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 [366] = MDR 1989, 523; NJW-RR 1996, 1210; KG v. 5.1.1998 – 4 W 8985/98, KGReport Berlin 1999, 156 = MDR 1999, 380; OLG Dresden OLGReport Dresden 2000, 161; OLG Hamm v. 26.3.1999 – 23 W 573/98, MDR 2000, 175; OLG München v. 22.12.1994 – 29 W 2321/94, OLGReport München 1995, 216 = NJW-RR 1995, 1086; Lindacher in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 91a Rz. 90, 103; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 91a Rz. 47; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rz. 48).
3. Innerhalb des derzeit noch weit gespannten Meinungsspektrums, das auf eine baldige, allseits akzeptierte Grundsatzentscheidung des BGH hoffen lässt (§§ 574 ff. ZPO n.F.), verdient die zuletzt angeführte Lösung den Vorzug, jedenfalls dann, wenn – wie hier – weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Parteien über die Kostenfrage hinaus weitere Ziele verfolgen.
a) Gegen die vom LG – früher auch vom Senat (s.o. 2a) – vertretene Rechtsansicht, wonach auch die berechtigte Erledigterklärung keinerlei Auswirkung auf den Streitwert habe, spricht entscheidend der Gesichtspunkt, dass das Feststellungsinteresse eines Klägers, der sein primäres Klageziel durch Erfüllung bereits errei...