Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Urteilsgründe bei Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist im Falle einer Trunkenheitsfahrt unwirksam, wenn neben Tatzeit- und ort lediglich die Höhe der Blutalkoholkonzentration und die Schuldform angegeben werden. Für die Beurteilung der Schuld ist daneben noch wesentlich, unter welchen Umständen die Alkoholaufnahme erfolgt ist und die Fahrt angetreten wurde.

2. Bei Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe wegen zahlreicher einschlägiger Vorbelastungen sind diese im Urteil einzeln darzustellen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 20.7.2004 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

Das Landgericht verwarf am 16.11.2004 die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet, dass die Freiheitsstrafe auf einen Monat reduziert wurde (im Tenor des schriftlichen Urteils heißt es aufgrund eines offensichtlichen, noch nicht berichtigten Schreibversehens: ein Monat zwei Wochen).

Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 SPO) und hat mit der Sachrüge schon deshalb (zumindest vorläufigen) Erfolg, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgegangen ist.

Auch ohne eine entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob ein mit der Revision angefochtenes Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des vorausgegangenen amtsgerichtlichen Urteils befunden hat. Aus diesem Grund ist vom Revisionsgericht, wenn, wie hier, das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des Ersturteils befasst hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt ist (BayObLGSt 1999, 99; KK/Ruß, StPO, 5. Aufl., § 318 Rdn. 1).

Grundsätzlich ist der Rechtsfolgenausspruch allein anfechtbar. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Schuldfeststellungen eine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Sind sie dagegen so dürftig, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, zu dem insbesondere der Schuldumfang zählt, nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen, so ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam (BayObLG, aaO.; KK/Ruß, aaO., § 318 Rdn. 7 a). Denn Grundlage für die Strafzumessung ist die Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB); die die Schuld bestimmenden Umstände sind daher i.d.R. zugleich wesentliche Strafzumessungstatsachen (vgl. § 46 Abs. 2 StGB), die - wie hier - auch für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung von Bedeutung sein können.

Ein solcher Fall unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung liegt hier vor.

Das Amtsgericht hat zur Trunkenheitsfahrt des Angeklagten unter Ziff. 1 seines Urteils festgestellt:

"Der Angeklagte fuhr am 30.04.2004 gegen 16.00 Uhr mit dem Fahrrad auf öffentlichen Straßen, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine bei dem Angeklagten am 30.04.2004 um 16.42 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,05 Promille. Seine Fahruntüchtigkeit hätte er bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen".

Unter Ziff. II wird ausgeführt, dass Ausfallerscheinungen beim Angeklagten nicht aufgetreten sind.

Diese Feststellungen bilden indes keine ausreichende Grundlage für die Strafzumessung.

Im Fall der Verurteilung wegen einer (folgenlosen) Trunkenheitsfahrt darf sich der Tatrichter - hinsichtlich der Tat selbst - nicht damit begnügen, neben der Höhe der Blutalkoholkonzentration und der Schuldform lediglich anzugeben, dass der Angeklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ein Fahrzeug geführt habe; dann ist eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch i.d.R. unwirksam (BayObLG, NZV 1997, 244; BayObLGSt 1999, 99; OLG Köln, StraFo 1998, 120). Die Schuld des Täters kann in derartigen Fällen nämlich wesentlich durch die Umstände der Alkoholaufnahme und durch die Gegebenheiten der Fahrt selbst bestimmt worden sein; hierzu sind Feststellungen unverzichtbar. So kann von Bedeutung sein, ob der Täter sich auf einer "Zechtour" befand und in Fahrbereitschaft getrunken hat, oder ob es eher zufällig zur Alkoholaufnahme kam, wobei eine Rolle spielen kann, ob er aus eigenem Antrieb handelte oder ob er von Dritten verleitet wurde, bewusst oder unbewusst fahrlässig handelte und ob er sich in ausgeglichener Gemütsverfassung oder in einer psychischen Ausnahmesituation befand. Wesentliche Faktoren der Fahrt selbst können sein, ob und weshalb sie privat oder beruflich veranlasst war, ob der Täter hierzu durch Dritte gedrängt wurde sowie - unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes der herbeigeführten Gefahr - die Dauer und die Länge der bereits zurückgelegten und der noch beabsichtig...

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