Leitsatz (amtlich)

Will ein Angehöriger eines EU-Mitgliedsstaates, der im Besitz einer Fahrerlaubnis dieses Mitgliedstaates ist, den innerstaatlichen (strafrechtlichen) Rechtswirkungen der §§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV entgehen, wenn ihm die Fahrerlaubnis durch sofort vollziehbaren Verwaltungsakt einer deutschen Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, muss er diesen Bescheid mit den innerstaatlichen Rechtsbehelfen anfechten, soweit jener Bescheid rechtswirksam und nicht nichtig ist. Auf die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids kommt es grundsätzlich nicht an.

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts R vom 8. Januar 2007 unter Aufrechterhaltung der gebildeten Einzelgeldstrafe im Gesamtstrafenausspruch mit den der Gesamtstrafenbildung zuzuordnenden Feststellungen aufgehoben; aufrecht erhalten bleiben allerdings die Feststellungen zur Bildung der aufrecht erhaltenen Einzelgeldstrafe.

  • II.

    Die Entscheidung über die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe ( § 55 StGB) ist durch das nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständige Gericht zu treffen.

  • III.

    Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

  • IV.

    Der Revisionsführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht C hat den Angeklagten am 25.7.2006 wegen (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von sechs Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht R mit Urteil vom 8.1.2007 mit der Maßgabe verworfen, dass "der Angeklagte unter Einbeziehung der Verurteilung durch das Amtsgericht C vom 04.09.2006" zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 80,00 Euro verurteilt wird.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig ( §§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen - zumindest vorläufigen - Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1.

Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

a)

Der Senat hat mit Urteil vom 16.1.2007 (StV 2007, 194) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Kapper und Halbritter und die erforderliche richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV zur Folge entschieden, dass eine Fahrerlaubnis, die von der Fahrerlaubnisbehörde eines EU-Mitgliedsstaats während des Laufes einer gesetzlichen Sperrfrist nach § 4 Abs. 10 S. 1 StVG ausgestellt wurde, nach Ablauf dieser Sperrfrist im Inland anerkannt werden muss (ebenso: OLG München NJW 2007, 1152; a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.1.2007 - 1 Ss 560/06).

Der Senat hat es allerdings in dieser Entscheidung ausdrücklich dahinstehenlassen, ob die Verwaltungsbehörden bei Bedenken bezüglich der körperlichen oder geistigen Eignung gegen den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis - wie hier geschehen - verwaltungsrechtlich nach § 46 FeV vorgehen und ihm die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen im Inland entziehen dürfen.

In solchen Fällen ist, wie das Berufungsgericht rechtlich zutreffend dargelegt hat, zwischen verwaltungsrechtlicher Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung strikt zu trennen. Ob der Bescheid des Landratsamts C vom 21.6.2005 (BU S. 11 - 17) mit Blick auf die vom EuGH in den genannten Entscheidungen (EuGH NJW 2006, 2173 Tz. 28 - Halbritter, EuGH NJW 2004, 1725 Tz. 77 - Kapper) geforderte richtlinienkonforme Auslegung des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV rechtmäßig ist, obwohl es den Mitgliedstaaten wegen des Grundsatzes der gegenseitigen formlosen Anerkennung von Führerscheinerteilungen versagt ist, für ihren Bereich die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis von zusätzlichen oder abweichenden Bedingungen wie beispielsweise eine medizinisch-psychologische Untersuchung abhängig zu machen, kann hier offen bleiben; denn der gegenständliche Bescheid des Landratsamtes Cham vom 21.6.2005 ist, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, jedenfalls nicht nichtig, daher rechtswirksam, und i.S. des § 28 Abs. 4 Nr. 3 Var. 2 FeV sofort vollziehbar.

Soweit die Revision darauf hinweist, dass ein Einschreiten der Verwaltungsbehörde nach dem Zeitpunkt der Ausstellung des polnischen Ersatzführerscheins am 26.7.2001 (vgl. BU S. 13) mangels Vorliegens eines neuen Sachverhalts (europa-) rechtswidrig gewesen sei, mag dies zutreffen. Es wäre dann aber an dem Angeklagten gewesen, den Bescheid mit den innerstaatlichen (Verwaltungs-) Rechtsbehelfen anzufechten, um den strafrechtlichen Rechtswirkungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV zu entgehen (zur diesbezüglichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte vgl. Hailbronner/Thoms NJW 2007, 1089, 1091 ff.).

Ob es in dieser Situation, wie das OLG Stuttgart (Beschl. v. 29.11.2006 - 2 Ss 520/06, NJW 2007, 528) meint, stets irrelevant ist, dass die Fahrerlaubnis des EU-Mitgliedsstaates nich...

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