Leitsatz (amtlich)

Der Aufenthalt in einem Frauenhaus begründet einen Wohnsitz, wenn er Ausdruck des Willens ist, diesen Ort zum Mittelpunkt der Lebensführung zu machen.

 

Normenkette

BGB §§ 7, 11

 

Verfahrensgang

AG Regensburg (Beschluss vom 29.10.1996; Aktenzeichen 4 F 1137/96)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 29. Oktober 1996, Az.: 4 F 1137/96, abgeändert.

II. Der Antragstellerin wird für das Verfahren wegen Übertragung der elterlichen Sorge für die Kinder J. M., geboren 20. Juli 1990, und F. M., geboren 24. Februar 1992, während des Getrenntlebens ab 25. Oktober 1996 Prozeßkostenhilfe gewährt und Rechtsanwältin H., R., beigeordnet.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, § 127 II, 2 ZPO, und begründet. Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Erfolgsaussicht, § 114 ZPO.

Das Amtsgericht Regensburg ist das örtlich zur Entscheidung berufene Gericht, weil die Antragstellerin mit den ehelichen Kindern J., geboren 20. Juli 1990, und F., geboren 24. Februar 1992, nach der Trennung vom Antragsgegner ihren Wohnsitz in R. hat, §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, 621 a ZPO, §§ 64 Abs. 3, 43 Abs. 1, 36 Abs. 1 FGG.

Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz seiner Eltern, § 11 BGB, bei getrennten Wohnsitzen hat das Kind einen – abgeleiteten – Doppelwohnsitz (BGHZ 48, 228). Wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, kommt es daher darauf an, ob der Aufenthalt von Mutter und Kindern im Frauenhaus in R. die Begründung eines Wohnsitzes für die Kinder darstellt.

Wohnsitz ist der Ort, an dem sich jemand als ständig mit der Absicht niederläßt, ihn zum Mittelpunkt seiner Lebensführung zu machen, § 7 BGB. Die Antragstellerin ist nach der Trennung von ihrem Ehemann im Frauenhaus in R. aufgenommen worden. Sie lebt jetzt seit Anfang Oktober 1996 dort, die siebenjährige Tochter aus erster Ehe besucht die Volksschule dort, die sechs- und vierjährigen gemeinsamen Kinder der Parteien besuchen den Kindergarten. Die Antragstellerin hat sich polizeilich in R. angemeldet. Sie will auch eine Wohnung dort suchen.

Mehr konnte die Antragstellerin in ihrer derzeitigen Situation nicht tun, um ihren Willensentschluß, sich tatsächlich an einem ändern Ort als dem bisherigen, mehrere hundert km entfernten Ehewohnsitz in H.-E. niederzulassen, nach außen erkennbar zu machen.

Würde man bei dieser Sachlage weitergehende Anforderungen an die Begründung eines neuen Wohnsitzes stellen, käme es zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, daß insbesondere Frauen aus wirtschaftlich beengten Verhältnissen und ohne finanzielle Rücklagen in allen Orten, in denen keine Frauenhäuser bestehen, bei der bekannten Schwierigkeit, in absehbarer Zeit eine ausreichende, finanzierbare neue Wohnung zu bekommen, ihre Trennungsabsicht zwar durch Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes und Umzug in ein Frauenhaus verwirklichen könnten, dann aber bis zur Erlangung einer Wohnung wohnsitzlos, § 7 III BGB, wären (OLG Karlsruhe, FamRZ 95, 1210; OLG Nürnberg, 11 WF 1097/93, Beschluß vom 8. September 1993).

Die Entscheidung des BGH, FamRZ 95, 1135, steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. In diesem Fall war nach dem Vortrag des Antragstellervertreters die Antragstellerin mit Kind zwar „zur Anmeldung” gekommen, es bestanden aber zumindest hinsichtlich des Kindes erhebliche Zweifel, ob es jemals seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt genommen hatte. Hier aber hält sich die Antragstellerin mit den Kindern in R. auf.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1343716

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