Leitsatz (amtlich)
1. Ab welcher Dauer ein Umgang "für längere Zeit" ausgeschlossen wird, hängt vom kindlichen Zeitempfinden ab.
2. Nach Art. 31 Abs. 1 der Istanbul Konvention sind bei miterlebter häuslicher Gewalt die beim Kind fortbestehenden Belastungen in der Vergangenheit sowie die Gefahren wegen andauernder Angst und Bedrohung zu berücksichtigen.
3. Der gewaltausübende Elternteil muss dem Kind die emotionale Sicherheit vermitteln, die es durch die miterlebte Gewalt verloren hat. Wenn er die Gewalt abstreitet, dem Kind gegenüber bagatellisiert, seine Belastung nicht sieht und aufgreifen kann, den anderen Elternteil in Gesprächen mit dem Kind herabwürdigt oder verbal attackiert oder erneute Gewalttaten zu befürchten sind, wird dies in der Regel ausgeschlossen sein.
Normenkette
Istanbul-Konvention Art. 31 Abs. 1
Tenor
Der Antrag des Beschwerdeführers ... vom 18.03.2024 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen den vom Amtsgericht X mit Beschluss vom 22.02.2024 vorgenommenen Ausschluss des Umgangs des Beschwerdeführers mit seinen Kindern A...[Name geändert], geb. am ... 2016, und B..., geb. am ... 2018, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO.
I) 1. Die Beteiligten sind seit 04.08.2016 miteinander verheiratet. Sie sind Eltern der Kinder A..., geb. am ...2016, und B..., geb. am ...2018. Der Vater war bei der Heirat und sodann bis März 2019 inhaftiert. Die Eltern leben seit Jahren in einer On/Off Beziehung und seit Juli 2019 immer wieder in verschiedenen Wohnungen. Seit 27.10.2023 bekunden beide ihren Willen, getrennt zu leben. Ein Scheidungsverfahren ist beim Amtsgericht X anhängig. Die Beziehung der Eltern ist von der Ausübung von Partnerschaftsgewalt durch den Vater geprägt.
1.1. Im Gewaltschutzverfahren (einstweilige Anordnung) 4 F 956/19 des Amtsgerichts X schilderte die Mutter am 15.11.2019, dass es seit der Haftentlassung im März 2019 zu mindestens 30 Gewaltvorfällen gekommen sei. Sie sei auch in Anwesenheit der Kinder mehrfach von ihrem Mann geschlagen worden. Am 13.11.2019 sei ihr Mann zu ihr gekommen. Er habe den großen Sohn, der freudig auf ihn zugelaufen kam, weg geschubst und gesagt, er solle sich verpissen. Dann habe er sie geschlagen, habe versucht, den Kühlschrank auszuräumen und die Kekse der Kinder mit der Bemerkung kaputt gemacht, diese brauchten nichts zum Fressen.
1.2. Im Gewaltschutzverfahren (einstweilige Anordnung) ... des Amtsgerichts X gab die Mutter an, der Vater habe am 28.08.2021 gegen 01:00 Uhr nachts die Tür eingetreten und sie vor den Kindern gegen das Bett des ältesten Sohnes geschubst und herumgeschrien. Am 30.01.2021 habe er sie im alkoholisierten Zustand ebenfalls geschubst und grün und blau geschlagen. Auch im Juni/Juli 2021 sei sie vom Vater mehrfach mit der Hand geschlagen worden. Im Arztbericht vom 03.02.2021 sind eine Hämatomverfärbung rechts im Jochbeinbereich, ein Monokelhämatom links sowie flächige rötliche Prellmarken diagnostiziert.
1.3. Trotz Hilfen des Jugendamtes gelang es der Mutter nicht, sich dauerhaft vom Vater zu distanzieren. Es kam immer wieder zu Gewalt des Vaters gegenüber der Mutter, auch in Anwesenheit der Kinder.
Am 01.12.2022 wurden die Kinder vom Jugendamt in Obhut genommen, weil die Mutter mit den Kindern in die Wohnung ihres Mannes zurückkehrte, obwohl dieser sie vorher hinausgeworfen hatte. Das Jugendamt regte beim Amtsgericht X an, den Eltern Teile der elterlichen Sorge zu entziehen. Das Verfahren wurde in der einstweiligen Anordnung beim Amtsgericht X unter dem Aktenzeichen ... und im Hauptsacheverfahren unter dem Aktenzeichen ... geführt. Wegen der Einzelheiten der Vorgeschichte und des Hilfeverlaufs wird auf den Bericht des Jugendamtes vom 02.12.2022 Bezug genommen.
Im Verfahren ... berichtete der Verfahrensbeistand, dass bei einem Hausbesuch aufgefallen sei, dass die Mutter auffällig am Auge geschminkt war, als ob sie ein blaues Auge überschminkt hätte.
Das Jugendamt berichtete im Verfahren ..., dass die Sozialpädagogische Familienhilfe bei einem Hilfeplangespräch im März 2023 die Mutter auf zwei kreisrunde Hämatome am Dekolleté sowie ein überschminktes bläulich verfärbtes rechtes Auge angesprochen habe.
Mit Beschluss vom 13.12.2022 nahm das Amtsgericht im Eilverfahren ... keine sorgerechtlichen Maßnahmen vor, nachdem der Vater sich verpflichtet hatte, die Wohnung nicht mehr zu betreten und mit den Kindern nur noch begleiteten Umgang wahrzunehmen. Die Kinder kehrten zur Mutter zurück.
1.4. Das Amtsgericht holte im Hauptsacheverfahren ... ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K... ein. Dieser stellte fest, dass aus psychologischer Sicht eine kindeswohlgefährdende Situation fortbestehe. Die krisenhaften Zuspitzungen und Belastungen durch die wiederholte Partnerschaftsgewalt hätten bei den Kindern noch keine nachhaltigen Schädigungen hervorgerufen. Das Risiko für eine erneute Gewaltausübung des Vaters gegenüber der Mutter sei gemäß standardisierter ...