Leitsatz (amtlich)
1. Es bleibt offen, ob bei unterlassenen Sicherungsmaßnahmen nach § 15 StVO ein Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der unterlassenen Maßnahmen auch dann gilt, wenn sich das liegengebliebene Fahrzeug vollständig auf dem Standstreifen befindet. Wenn das andere unfallbeteiligte Fahrzeug ohne erkennbaren Grund in einer Breite von ca. 0,7 - 0,95 m den Standstreifen befährt, ist der Anscheinsbeweis jedenfalls erschüttert.
2. Der Verursachungsanteil des anderen unfallbeteiligten Fahrers kann in diesem Fall so sehr überwiegen, dass die Haftung des Fahrers des liegengebliebenen Fahrzeugs vollständig zurücktritt.
Normenkette
STVO § 15; ZPO § 286; StVG § 17
Verfahrensgang
LG Ansbach (Aktenzeichen 2 O 826/12) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Senat hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für geboten.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am ... 2012 gegen 00.15 Uhr auf der BAB ... bei ... ereignet hat. Der von dem Arbeitnehmer K. gesteuerte Lkw der Klägerin fuhr auf den auf dem Standstreifen stehenden, wegen technischer Probleme liegen gebliebenen Pkw auf, der von der Beklagten zu 1) geführt wurde und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war. An dem Pkw war die Warnblinkanlage nicht eingeschaltet; ein Warndreieck war nicht aufgestellt.
1. Das LG hat die auf Zahlung von 34.684,01 EUR gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zu Lasten der Beklagten sei lediglich die einfache Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die gegenüber einem schweren unfallursächlichen Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten zurücktrete.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen stehe fest, dass sich das Fahrzeug der Beklagten zu 1) zum Kollisionszeitpunkt vollständig auf dem Seitenstreifen befunden habe und es zur Kollision gekommen sei, weil der Drittwiderbeklagte aus unbekanntem Grund 0,95 m nach rechts auf die Standspur gekommen sei. Unstreitig habe die Beklagte zu 1) gegen § 15 StVO verstoßen, weil weder an ihrem Fahrzeug die Warnblinkanlage eingeschaltet noch ein Warndreieck aufgestellt gewesen sei. Aufgrund des Sachverständigengutachtens stehe fest, dass die linke Rückleuchte gebrannt habe; ob die rechte Rückleuchte gebrannt habe, sei nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin habe jedoch nicht beweisen können, dass diese Verstöße unfallursächlich gewesen seien, insbesondere weil ungeklärt sei, weshalb der Drittwiderbeklagte nach rechts abgekommen sei.
2. Mit der Berufung erstrebt die Klägerin Zahlung von 8.716 EUR.
Sie ist der Auffassung, die Betriebsgefahr des Pkw sei mit 25 % anzusetzen.
Die Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen, dass sich der Pkw vollständig auf der Standspur befunden habe, werde nicht angegriffen. Die Betriebsgefahr des Pkw sei aber ebenfalls erhöht gewesen. Die Beklagte zu 1) habe gegen § 15 StVO verstoßen; zwischen ihrem Anruf beim Zeugen R. und dem Unfall habe sie 10 Minuten Zeit gehabt, die Warnblinkanlage einzuschalten und ein Warndreieck aufzustellen. Der Pkw sei nur schwer zu erkennen gewesen, da sich der Unfall nachts ereignet habe und der Pkw schwarz lackiert sei.
Die Klägerin müsse nicht den Beweis führen, dass gerade das Unterlassen der Absicherung zum Auffahren des Zeugen K. geführt habe. Es reiche aus, dass sich das Fehlverhalten der Beklagten zu 1) gefahrerhöhend ausgewirkt habe.
3. Die Beklagten beantragen Zurückweisung der Berufung.
II. Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Das LG hat ohne Rechtsfehler die Klage als insgesamt unbegründet abgewiesen.
Die nach § 17 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 3 StVG vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihren Schaden selbst tragen muss, weil ihr Fahrer den Unfall weit überwiegend verursacht hat.
1. In der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass der Fahrer der Klägerin gegen § 2 Abs. 1, § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO Zeichen 295 verstoßen hat, indem er zum Kollisionszeitpunkt ca. 0,7 m bis 0,95 m rechts von der Fahrstreifenbegrenzung der rechten Fahrspur gefahren sein muss.
2. Bei der Beklagtenseite ist nur die Betriebsgefahr des Pkw zu berücksichtigen.
a) Es ist unstreitig, dass sich der Pkw vollständig auf dem Seitenstreifen befand.
b) Die Beklagte zu 1) hat zwar gegen § 15 Abs. 1 und 2 StVO verstoßen; die Klägerin hat aber nicht den erforderlichen Beweis erbracht, dass dieser Verstoß (mit)unfallursächlich geworden ist.
aa) Die Beklagte zu 1) hat gegen § 15 S. 1 und 2 StVO verstoßen, indem sie ihr liegen gebliebenes Fahrzeug weder durch Einschalten der Warnblinkanlage noch durch Aufstellen eines Warndreiecks gesichert hat. Beides ist unstreitig. Der Sachver...