Leitsatz (amtlich)

Ein Fahrzeugführer, der bei Dunkelheit erkennen kann, dass auf der Standspur einer Autobhan bereits mehrere Fahrzeuge mit eingeschaltener Warblinkanlage halten, muss mangels besserer Erkenntnisse auch damit rechnen, dass sich in diesem Bereich ein Unfallfahrzeug auf der Überholspur und Ersthelfer auf der Fahrbahn befinden und ist deshalb verpflichtet, anggesichts der unklaren Verkehrssituation seine Geschwindigkeit beim Vorbeifahren an dieser Stelle soweit zu reduzieren, dass ihm ein gefahrlosses Anhalten jederzeit möglich ist.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 21.12.2005; Aktenzeichen 4 O 290/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters des LG Ravensburg vom 21.12.2005 (Az.: 4 O 290/05) wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin zu 35 % von allen Schadensersatzansprüchen freizustellen, die als Folge des Unfalls vom 9.3.2003 gegen 22.00 Uhr auf der B. in Höhe des Autobahnkilometers 95.500 (Gemeinde B. W., K.) im Rahmen des Deckungsverhältnisses gegen sie oder ihren Versicherungsnehmer, Herrn M. B., W., G., geltend gemacht werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin ¾ und die Beklagten als Gesamtschuldner ¼.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Haftpflichtversicherer des Unfallbeteiligten M. B. Freistellungsansprüche gegen die Beklagten aus einem Unfallereignis vom 9.3.2003 auf der B. bei Bad Wörishofen geltend.

Zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Haftungsquote zu Lasten der Beklagten von 80 %. Diese hat die Klagforderung in Höhe einer Haftungsquote von 20 % anerkannt.

Das LG hat die weiter gehende Klage nach informatorischer Anhörung des Beklagten Ziff. 2 (vgl. Protokoll vom 24.11.2005, Bl. 36/38 d.A.) abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

Die Berufung rügt Rechtsanwendungsfehler des LG, insb. einen Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO.

Das LG habe mit unzutreffender Begründung ein Verschulden des Beklagten Ziff. 2 an dem Unfallgeschehen verneint. Das Unfallgeschehen spräche aber dafür, dass dieser seine aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVO resultierende Verpflichtung, sein Fahrzeug nur so schnell voran zu bewegen, dass er es ständig beherrschen kann, schuldhaft verletzt habe. Zu Unrecht habe das LG seiner Entscheidung die informatorischen Äußerungen des Beklagten zum Unfallhergang, insb. das Vorhandensein von Wildschweinen auf der Fahrbahn, zugrunde gelegt. Die daraus resultierende Feststellung des LG, bei den Wildschweinen habe es sich um ältere Frischlinge gehandelt, sei nicht nachvollziehbar, da dies weder vom Beklagten Ziff. 2 behauptet, noch durch eine Beweisaufnahme erwiesen sei. Insoweit hätte es einer Vernehmung des Zeugen Zacher bedurft, der als zuständiger Jagdpächter im Strafverfahren ggü. der Polizei Feststellungen in Bezug auf die Wildschweine bekundet habe. Die Beweislast dafür, dass er zur Vermeidung größerer Schäden den Wildschweinen ausweichen musste, obliege dem Beklagten Ziff. 2. Aufgrund der Spurenlage sei aber erkennbar, dass es sich um derart kleine Tiere gehandelt habe, dass der Beklagte Ziff. 2 diese zur Vermeidung eines Unfalls hätte überfahren müssen. Als Frischlinge würde junge Wildschweine bis zu einem Alter von 1 Jahren bezeichnet, die bei einer maximalen Schulterhöhe von 50 cm ein maximales Gewicht von 20-30 kg erreichen.

Des Weiteren habe das LG zu Unrecht einen Verstoß des Beklagten Ziff. 2 gegen die Pflicht zur Aufstellung eines Warndreiecks in § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO verneint.

Schließlich habe das LG den Einwand der Klägerin gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass die Betriebsgefahr eines unbeleuchtet auf der Überholspur einer Autobahn liegenden Fahrzeugs höher sei, als die eines mit einer Geschwindigkeit von 120-140 km/h fahrenden Fahrzeuges.

Unter Berücksichtigung der oben stehenden Umstände ergebe sich daher eine Haftungsverteilung von 20 % zu 80 % zu Lasten der Beklagten.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des LG Ravensburg vom 21.12.2005 wird abgeändert.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner dazu verurteilt, an die Klägerin EUR 2.356,48 nebst 5 % Zinsen über Basis vom Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift an zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner dazu verpflichtet sind, die Klägerin zu 80 % von allen Ansprüchen frei zu stellen, die ihr oder ihrem Versicheru...

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