Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für den Einstieg in ein Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG nach dem Versterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten ist, dass sich der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte auf eine wesentliche und ihn begünstigende Wertänderung eines in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts beruft.
Die Prüfung, ob sich die Abänderung zugunsten des überlebenden Ehegatten auswirkt, ist anhand einer Gesamtbetrachtung des Ausgleichsergebnisses vorzunehmen, das sich hypothetisch im Falle einer Totalrevision unter Lebenden ergeben hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2022 - XII ZB 122/21, NZFam 2022, 685, beck-online).
2. Da der Vergleichsmaßstab die Lage unter zwei lebenden Ehegatten ist, muss auch bewertet werden, dass der Antragsteller einem schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch seiner ehemaligen Ehefrau ausgesetzt war, den diese jederzeit hätte geltend machen können. Der in der Ausgangsentscheidung vorbehaltene teilweise schuldrechtliche Ausgleich ist als Saldoposten in der Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigen.
Normenkette
FamFG § 225; VersAusglG § 31 Abs. 1 S. 2, § 51
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 105 F 3341/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Abteilung für Familiensachen - vom 24.08.2022, Az.: 105 F 3341/21, in Ziffer 1 insoweit abgeändert, als die Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen vom 10.06.1996, Az: 4 F 0952/95 über den Versorgungsausgleich zwischen den Ehegatten mit Wirkung ab dem 01.08.2021 abgeändert wird.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.148,32 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.
Die am ...1958 geschlossene Ehe des 1934 geborenen Antragstellers mit der ebenfalls 1934 geborenen früheren Ehefrau wurde auf den im November 1995 zugestellten Scheidungsantrag mit Urteil des Amtsgerichts Erlangen vom ...1996, Az: 4 F 952/95, rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Das Endurteil wurde durch Beschluss vom ...1996 berichtigt. In der gesetzlichen Ehezeit vom 01.01.1958 bis zum 31.10.1995 hatte der Antragsteller Anwartschaften bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg in Höhe von 7.192,44 DM erworben. Die frühere Ehefrau hatte Anwartschaften bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) in Höhe von 1.235,33 DM erlangt. Nach § 1587 b Abs. 2 BGB a.F. hatte der Versorgungsausgleich in Höhe des Höchstbetrags von 2.262,74 DM durch Quasisplitting zu erfolgen. Daher wurden zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg auf dem Versicherungskonto Nr. ... der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften von monatlich 2.262,74 DM bezogen auf den 31.10.1995 begründet. Im Übrigen wurde der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.
Die frühere Ehefrau verstarb am ...2021. Mit einer am ...2021 beim Amtsgericht Erlangen eingegangenen Antragsschrift hat der Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt. Nach Auskunft des Amtsgerichts Nürnberg - Nachlass und Personenstandsachen - vom ...2021 wurde die nunmehrige Antragsgegnerin, die Ehefrau der Erblasserin, als Erbin ermittelt. Ein Erbschein für die Alleinerbin ist mittlerweile erteilt. Ihr wurde zwischenzeitlich eine Witwenrente aus der Versicherung der Verstorbenen bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bewilligt.
Mit Beschluss vom ...2021 erklärte sich das Amtsgericht Erlangen für unzuständig und verwies das Verfahren vom Amts wegen an das Amtsgericht Nürnberg. Dieses hat das Urteil vom ...1996 nach Erholung neuer Versorgungsauskünfte mit Wirkung zum 06.07.2021 abgeändert und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Gegen diesen ihm am 01.09.2022 zugestellten Beschluss wendet sich das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg mit seiner Beschwerde vom 26.09.2022, die am 27.09.2022 beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen ist. Es beantragt, den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen neu durchzuführen.
In seiner Begründung führt das Landesamt aus, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einer wesentlichen Wertänderung bei dem Anrecht des Antragstellers gem. § 225 Abs. 3 FamFG ausgegangen sei. Das Amtsgericht habe bei seiner Prüfung falsche Beträge zugrunde gelegt. Möglicherweise könne eine wesentliche Wertänderung jedoch bei dem Anrecht der Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt sein. In jedem Fall sei jedoch § 226 Abs. 4 FamFG zu beachten, wonach die Abänderung des Versorgungsausgleichs ab dem ersten Tag des Monats der au...