Leitsatz (amtlich)

Auch ein volljähriges Kind kann gegen seine Eltern einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß haben, wenn das Kind sich noch in der Ausbildung befindet und noch keine von den Eltern unabhängige Lebensstellung erlangt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Erlangen (Beschluss vom 01.09.1995; Aktenzeichen 4 F 428/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozeßkostenhilfebeschluß des Amtsgerichts Erlangen vom 01. September 1995 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Der volljährige Antragsteller begehrt vom Antragsgegner, seinem Vater, Ausbildungsunterhalt. Der Antragsteller verließ 1994 wegen massiver Streitigkeiten die elterliche Wohnung. Er besucht zur Zeit die 11. Klasse einer Fachoberschule. Der Antragsteller beabsichtigt die Erhebung einer Unterhaltsklage mit dem Ziel, daß der Antragsgegner ihm einen monatlichen Unterhalt von 1.160,– DM ab 1. Mai 1995 bezahlt. Die Klageerhebung hat der Antragsteller davon abhängig gemacht, daß ihm Prozeßkostenhilfe gewährt wird. Zur Höhe des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs trägt der Antragsteller vor, der Antragsgegner habe ein monatliches Nettoeinkommen von 5.100,– DM.

Der Antragsgegner verteidigt sich gegen die beabsichtigte Unterhaltsklage mit der Behauptung, der Antragsteller habe seit 1992 ihn und seine Frau fortlaufend beschimpft, mehrfach mit dem Tode bedroht und einige Male angekündigt, er werde das Wohnhaus der Familie anzünden. Ein besonders schwerer Zwischenfall habe sich 1992 ereignet, als der Antragsteller ihn mit einem Küchenmesser bedroht und verfolgt habe.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Erlangen hat mit Beschluß vom 1. September 1995 den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der erwachsene Antragsteller habe die Möglichkeit, sich seinen Unterhaltsbedarf durch Nebentätigkeiten selbst zu verdienen. Außerdem habe der Antragsteller nicht substantiiert vorgetragen, daß er seine Ausbildung zielstrebig betrieben habe.

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Er beantragt,

den Beschluß des Amtsgericht – Familiengericht – Erlangen vom 1.9.1995 abzuändern und ihm die beantragte Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

2. Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Voraussetzung für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist u.a., daß eine Partei die voraussichtlichen Prozeßkosten nach ihren persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann. Zu den vom Antragsteller für die Prozeßführung einzusetzenden Vermögenswerten gehört auch ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses gegen seine Eltern (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 54. Auflage, Anmerkung 33 zu § 1610).

Da der Antragsteller vorträgt, sein Vater habe ein monatliches für Unterhaltszwecke einzusetzendes Einkommen von 5.100,– DM, hat er nach seinem eigenen Vorbringen einen der Prozeßkostenhilfe vorgehenden Prozeßkostenvorschußanspruch.

Diesem Anspruch steht die Volljährigkeit des Antragstellers nicht entgegen. Der Prozeßkostenvorschußanspruch leitet sich aus der Unterhaltspflicht des Antragsgegners ab, weil der Antragsteller als Schüler noch keine selbständige Lebensstellung erreicht hat (ebenso OLG Frankfurt, FamRZ 1985, 959; OLG Hamburg, FamRZ 1988, 760; OLG Karlsruhe, FamRZ 1989, 534; OLG Celle, 14.04.1994, 17 WF 53/94; OLG Köln, FamRZ 1986, 1031 und FamRZ 1995, 1409, OLG Koblenz, FamRZ 1996, 45).

Teilweise wird in der Rechtsprechung und der Literatur ein Prozeßkostenvorschußanspruch des volljährigen Kindes gegen seine Eltern jedoch abgelehnt. (so OLG Stuttgart FamRZ 1988, 758 und OLG Hamm FamRZ 1995, 1008 mit Literaturhinweisen).

Diese Rechtsprechung sieht die Beziehung zwischen volljährigem Kind und Eltern als nicht mehr so eng, daß sie die Pflicht zur Zahlung des Prozeßkostenvorschusses rechtfertigen würde. Sie stellt die Eigenverantortlichkeit des Volljährigen in den Vordergrund und setzt ihn mit dem geschiedenen, unterhaltsberechtigten Ehegatten gleich, für den der unterhaltsverpflichtete Ehegatte keinen Prozeßkostenvorschuß leisten muß.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Solange das volljährige Kind noch keine selbständige Lebensstellung erreicht hat, insbesondere noch die Schule besucht, haben die Eltern in der Regel die Pflicht, dem Kind den Weg zu einer seinen Fähigkeiten angemessenen Eigenständigkeit zu ermöglichen. Dazu gehört auch, daß das Kind in einer persönlich wichtigen Angelegenheit einen Rechtstreit führen kann. Tatsächlich unterscheidet sich die Situation des volljährigen Schülers von der des minderjährigen nicht.

Der Senat verkennt nicht, daß die wirtschaftliche Grenze der Verantwortlichkeit der Eltern in § 1603 Abs. 1 BGB für das volljährige Kind nicht so eng gezogen ist, wie in § 1603 Abs. 2 BGB für das minderjährige Kind. Daraus kann aber nicht eine bereits dem Grunde nach eingeschränkte Unterhaltspflicht abgeleitet werden für ein Kind, das noch keine eigene wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hat. Die besondere Verantwortung der Eltern, ihr – wenn auch vol...

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