Leitsatz (amtlich)
Bei der Ermittlung der Haftungsanteile der Eltern für den Volljährigenunterhalt ist der „angemessene Unterhalt” i.S. des § 1603 Abs. 1 BGB nicht stets nur mit dem „großen Selbstbehalt” von derzeit 1.600 DM anzusetzen. Er braucht aber andererseits nicht ebenso hoch wie der „eheangemessene Unterhalt” i.S. von § 1578 Abs. 1 oder § 1581 BGB angesetzt zu werden. Für Verwandtenunterhalt gelten nämlich nicht durchgehend dieselben Maßstäbe wie für Ehegattenunterhalt.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1, § 1606 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 17.03.1995; Aktenzeichen 1 F 155/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Fürth vom 17.03.1995 in Verbindung mit der Nichtabhilfeentscheidung vom 15.05.1995 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist die volljährige Tochter (geboren am 15.11.1976) des Antragsgegners aus der am 20.09.1994 (sofort) rechtskräftig geschiedenen Ehe, aus der auch die jetzt 16 Jahre alte Tochter …, geboren am 03.10.1978, hervorgegangen ist. Beide Töchter leben bei ihrer Mutter, die zur Zeit der Trennung (am 17.12.1992) und danach bis zum 31.08.1993 teilzeitbeschäftigt war und monatlich ca. 2.000 DM netto verdiente (vgl. Scheidungsakte, Sonderheft „EAO-Unterhalt”, Bl. 2 ff.). Seit dem 01.09.1993 arbeitet sie ganztags und verdient monatlich 2.784 DM netto (vgl. Verdienstbescheinigung Bl. 40 d.A.). Die volljährige Antragstellerin ist ohne eigenes Einkommen.
Der Antragsgegner verdient monatlich 4.845 DM netto, macht jedoch weitere Abzüge von monatlich 254 DM (3.050 DM: 12) für eine Steuernachzahlung (vgl. ESt-Bescheid vom 06.12.1994, Bl. 52 d.A.) geltend, so daß er von 4.591 DM (4.845 DM – 254 DM) Nettoeinkommen ausgeht (vgl. Schriftsatz vom 29.03.1995, S. 4, Bl. 48 d.A.).
Die Antragstellerin beantragt Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner auf monatlich 987 DM Kindesunterhalt, auf den der Antragsgegner bis 31.01.1995 monatlich 720 DM bezahlt hat und seit 01.04.1995 monatlich nur noch 404 DM bezahlt.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 17.03.1995 den Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt (vgl. Bl. 42 f. d.A.), wobei es davon ausgegangen ist, daß der Antragsgegner monatlich 725 DM Kindesunterhalt anteilig schuldet (§ 1606 III 1 BGB) und hierauf monatlich 720 DM freiwillig weiterhin bezahlt.
Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, daß die Annahme freiwilliger Zahlungen in Höhe von monatlich 720 DM seit 01.02.1995 nicht mehr zutrifft, und daß der Antragsgegner für den Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 987 DM allein hafte, weil ihre Mutter ihr keinen Unterhalt zahlen könne, ohne ihren eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden (§ 1603 Abs. 1 BGB). Dieser sei nach den ehelichen Lebensverhältnissen mit 3.138 DM zu bemessen, wie das Amtsgericht im Scheidungsverfahren (im Termin vom 24.03.1994) errechnet habe (Beiakte 1 F 1195/93). Zur Begründung ihrer Rechtsauffassung bezieht sie sich auf BGH NJW 1980, 934 (= FamRZ 1980, 555) und auf Lohmann, Neue Rechtsprechung des BGH zum Familienrecht, 7. Auflage 1992, Seiten 215 ff. (Schriftsatz vom 08.03.1995, Bl. 39 d.A.).
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO), jedoch nicht begründet (§§ 114, 115 Abs. 2 ZPO).
Die beabsichtigte Klage hat zwar überwiegend Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO), rechtfertigt aus nachstehenden Gründen jedoch nicht die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.
Der Unterhalt der volljährigen Antragstellerin wird nach dem Einkommen des Antragsgegners in Höhe von monatlich 4.591 DM (4.845 DM – 254 DM) zuzüglich dem (ggf. teilweise) ersparten Ehegattenunterhalt (1.649 DM × 0,89 = 1.468 DM, vgl. NT, Raster C, Gr. 17, Sp. 7 und 15) unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für die minderjährige Tochter zu bemessen sein. Bei einer Bemessungsgrundlage von 6.059 DM (4.591 DM + 1.468 DM) dürfte der Unterhalt für die Antragstellerin monatlich 974 DM betragen (vgl. NT, Raster C, Gr. 31/32, Spalte 4). Hierfür haften beide Elternteile anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Von dem Einkommen des Antragsgegners ist vorweg der Kindesunterhalt für die minderjährige Tochter (monatlich etwa 705 DM, vgl. NT, Raster C, Gr. 31/32, Sp. 3) abzusetzen, weil die Haftungsanteile nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB sich nach den für den Unterhalt der volljährigen Tochter tatsächlich verfügbaren Mitteln bestimmen (vgl. BGH FamRZ 1988, 1039, 1041).
Ob bei der Ermittlung der beiderseitigen „Haftungseinkommen” ein Aufstockungsunterhalt für die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners von dessen Einkommen abzuziehen und deren Einkommen zuzuschlagen ist, wie der Antragsgegner meint (vgl. Schriftsatz vom 29.03.1995, Bl. 48 f. d.A.), hängt davon ab, ob ein solcher geschuldet wird und tatsächlich gezahlt werden wird. Die Berücksichtigung eines solchen Unterhalts bei der Ermittlung der Haftungsquote nach § 1606 Ab...