Entscheidungsstichwort (Thema)
Art. 3, 12 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (HKÜ)
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des HKÜ, wenn die Eltern einen teilweisen bzw. vorübergehenden Aufenthalt der Kinder in dem Staat vereinbart haben, in den das Kind entführt wird.
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 10.05.2007; Aktenzeichen 110 F 1061/07) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 10.5.2007 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragstellerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, die polnische Staatsangehörige ist, und der Antragsgegner, der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sind die Eltern der Kinder ... geb. am ... und ... haben sowohl die polnische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit.
Die Parteien waren und sind nicht miteinander verheiratet. Der Antragsgegner ist verheiratet mit ... Aus dieser Ehe sind die Kinder ... hervorgegangen. Die Antragstellerin hat eine mindestens 12 Jahre alte Tochter namens ..., deren Vater nicht der Antragsgegner ist.
Die Antragstellerin lernte den Antragsgegner 1998 in Warschau kennen, wo dieser mit seiner Ehefrau eine Firma betrieb, in der die Antragstellerin beschäftigt war. In der Folgezeit kam es zu einer Beziehung zwischen den Parteien, aus der die beiden Kinder ... und ... hervorgingen und die zu einer zeitweiligen Trennung des Antragsgegners von seiner Ehefrau führte. Spätestens im April 2006 (der genaue Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig) kam es zur endgültigen Trennung der Parteien. Der Antragsgegner kehrte zu seiner Ehefrau nach Deutschland zurück und lebt seitdem bis auf weiteres mit dieser und den beiden ehelichen Kindern zusammen in Wörth bei Regensburg.
Ob es bereits im April 2006 zwischen den Antragsgegner und der Antragstellerin zu einer mündlichen Vereinbarung über den weiteren Aufenthalt der Kinder bei dem einen oder anderem Elternteil kam, ist zwischen den Parteien streitig.
In der Folgezeit hielten sich ... und ... nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Eltern - zunächst vom 17.4. bis 24.4. und vom 26.5. bis 2.6.2006 beim Vater in Deutschland und in der übrigen Zeit bei der Mutter in Polen auf.
Aleksander besuchte im Schuljahr 2006/2007 die deutsche ...-Schule in Warschau. In einem Schreiben an die Familie Lingauer vom 29.6.2006 teilte die Leiterin der Schule mit, dass ... im zweiten Schulhalbjahr an 53 Tagen unentschuldigt gefehlt habe. In dem Schreiben wurde weiter auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Schulpflicht hingewiesen.
Am 5.7.2007 gaben die Parteien vor dem deutschen Konsulat in Warschau gem. § 1626a Abs. 2 Nr. 1 BGB die Erklärung ab, dass sie die elterliche Sorge für ... und ... uneingeschränkt gemeinsam ausüben wollen.
Am selben Tag unterzeichneten sie eine handschriftliche, in englischer Sprache abgefasste Erklärung, die u.a. folgenden Inhalt hat:
2. We signed the notarial papers in ambassy that we both have full rights for the boys.
4. We will always discuss school together an decide together for the best for the Boys might go in September in Bavaria 2 weeks with and two weeks with me.
5. I would agree in the future for a britsch-german education for the Boys!
6. The Volvo ... is driving is hers, she is using and driving him, I finance him and pay insurance. After 3 years I will change him to ... Name.
7. We promise each othets never to take each other to court.
8. We promise each other to stay friends.
Nach der von der Antragstellerin hinsichtlich ... in vollem Umfang und hinsichtlich ... teilweise bestätigten. Darstellung des Antragsgegners hielten sich beide Kinder vom 20.6. bis 16.7.2006 wieder beim Antragsgegner in Deutschland auf.
Unstreitig ist, dass die Kinder dann wieder vom 1. bis 14.8.2006 beim Vater in Deutschland waren, nach dessen von der Antragstellerin bestrittener Darstellung dauerte der Aufenthalt bis 21.8.2006.
Zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 wurde ... - entsprechend der Vereinbarung vom 5.7.2006 - in der Grundschule in Wörth eingeschult und lebte fortan ab 2.9.2006 im väterlichen Haushalt. In den bayerischen Herbstferien besuchte er vom 29.10. bis 3.11.2006 die Antragstellerin in Polen. Am 4.11.2007 fuhr der Antragsgegner nach Polen, um dort ... und ...abzuholen und wieder mit nach Deutschland zu nehmen. Dabei kam es zu - von den Parteien im Einzelnen unterschiedlich geschilderten - Streitigkeiten, da die Antragstellerin und deren Vater sich mit einer Rückkehr der Kinder nach Deutschland zunächst nicht einverstanden erklärten. Schließlich fuhr der Antragsgegner am 4.11.2006 mit ... nach Deutschland zurück, ... blieb zunächst weiterhin bei der Antragstellerin in Polen.
... blieb dann bis zu den bayerischen Weihnachtsferien beim Vater in Wörth und besuchte dort weiterhin die Schule. Am 22.12.2006 bra...