Entscheidungsstichwort (Thema)

Totschlag. Beschwerde gegen die Nichtaussetzung des Strafrestes zur Bewährung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Prüfung der Reststrafenaussetzung einer nach den Vorschriften des Erwachsenenvollzugs vollzogenen Jugendstrafe, deren Vollstreckung bindend an die Staatsanwaltschaft gemäß § 85 Abs. 6 JGG abgegeben war, hat nach dem Maßstab des § 57 StGB und nicht nach dem der §§ 88, 89a JGG zu erfolgen. (Anschluss an OLG München, StraFo 2009, 125 und OLG Düsseldorf - 1 Ws 332/95, 1 Ws 333/95; entgegen OLG Hamm - 3 Ws 40, 41/96).

 

Tenor

In der Strafvollstreckungssache

wegen Totschlags

hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Nichtaussetzung des Strafrestes zur Bewährung

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden Beschluss:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten I.G. gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts R. mit dem Sitz in S. vom 11.8.2009 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I. Das Landgericht S. - 1. Große Jugendkammer - hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 14.2.2006 (1 KLs 11 Js 9197/02 jug), rechtskräftig seit demselben Tag, wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Neben der Anordnung des Vorwegvollzugs einer Jugendstrafe von acht Monaten hat das Landgericht den in Kasachstan in der Zeit vom 1.2,2005 bis zum 6.5.2005 erlittenen Freiheitsentzug im Verhältnis "eins zu zwei" auf die verhängte Jugendstrafe angerechnet.

Dem Urteil liegt - verkürzt - folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 11.7.2002 ist er Verurteilte nach Entlassung aus der stationären Behandlung im Krankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie Schloss V. - er befand sich dort wegen eines Suizidversuchs -, getrieben von der Aussicht, in den Genuss von Haschisch zu gelangen, mit dem späteren Opfer R.G., der zunächst nicht erkennbare homosexuelle Absichten hegte, in Kontakt gekommen. Als R.G. (in dessen Wohnung) seine sexuelle Absicht durch onanieartige Bewegungen vor seinem Genitalbereich offenbarte, war der Verurteilte, der aufgrund seiner kulturellen Prägung homosexuellenfeindlich eingestellt war, derart in seiner Ehre gekränkt, dass er spontan einen auf dem Wohnzimmertisch stehenden Kochtopf nahm und diesen mindestens einmal so kraftvoll auf den Kopf R.G. schlug, dass der Henkelgriff abbrach und G. in die Knie ging, möglicherweise sogar zu Boden fiel. Als sich R.G. "aufrappelte" und nach einem auf dem Wohnzimmertisch liegenden größeren Messer mit Sägeklinge griff, ging der Verurteilte davon aus, G. wolle ihn am Verlassen der Wohnung hindern und bekam Angst. Der Verurteilte schlug und trat auf G. ein, wobei vermutlich die Klinge dessen Messers abbrach. Anschließend griff der Verurteilte nach einem auf dem Wohnzimmertisch herumliegenden Mehrzweckmesser mit einer Klingenlänge von ca. 4,5 cm und stach damit mehrfach auf den Kopf R.G. ein, der hierdurch zahlreiche, allerdings nicht lebensbedrohliche Stich- und Schnittverletzungen im Kopf- Hals und Schulterbereich erlitt. Im Verlauf des sich daraufhin entwickelten Gerangels würgte R.G. den Verurteilten mit einem Ledergürtel; dieser konnte sich befreien, nahm ein auf dem Wohnzimmertisch liegende Küchenmesser von ca. 19 cm Länge, welches G. beim Versuch, dieses dem Verurteilten abzunehmen, an der Klinge umfasste. Beim "Durchziehen des Messers" durch G. Hand wurde diese verletzt. Im Zuge der Auseinandersetzung verlor der Verurteilte das Messer und nahm deshalb eine herumstehende Bratpfanne, mit der er mindestens einmal, wahrscheinlich aber mehrfach so energisch auf den Kopf des Geschädigten einschlug, dass hierdurch der Pfannenboden eingedellt wurde. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung - hierbei hatte G. den Verurteilten auch beleidigt - begann R.G. laut zu schreien. Der Verurteilte, der nur noch "das Bedürfnis empfand, dieses für ihn unerträgliche Schreien zu beenden", griff erneut zu dem Küchenmesser und fügte dem Geschädigten im Bereich der Halsschlagadern zwei Schnitte an der rechten und linken Halsseite zu, die jedoch nicht lebensgefährlich waren. Dennoch war dem Verurteilten trotz seiner Erregung bewusst, dass die gesetzten Halsverletzungen jedenfalls ihrer Art nach geeignet waren, R.G. zu töten. Diese Folge nahm er zumindest billigend in Kauf, um sein Opfer am weiteren Schreien zu hindern.

Zum weiteren Kerngeschehen führt das Urteil aus:

"Nachdem R.G. dennoch weiterhin schrie, legte ihm der Angeklagte ein in der Wohnung aufgefundenes Seil um den Hals und drosselte ihn mindestens fünfzehn Sekunden lang, wobei der Körper seines Opfers zu zucken begann. Auch hierbei war dem Angeklagten, der die Drosselung erst lockerte, als R.G. leblos vor ihm lag, bewusst, dass diese Behandlung geeignet war, sein Opfer zu töten, und er nahm den Tod R.G. wiederum zumindest billigend in Kauf.

Anschließend durchsuchte der nun wieder zur Ruhe gekommene Angeklagte mehrere ...

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