Leitsatz (amtlich)
1. Den Betreuer trifft im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises der Gesundheitsfürsorge eine eigene Pflicht, sich um den Krankenversicherungsschutz des Betreuten zu kümmern.
2. Der auf den Sozialhilfeträger übergegangene Schadensersatzanspruch des Betreuten gegen den Betreuer, der es versäumt, rechtzeitig für den Betreuten den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung zu erklären, ist unabhängig davon, dass der Sozialhilfeträger über die Krankenhilfe originäre Aufgaben wahrnimmt.
3. Ein möglicher sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die AOK wegen Verletzung einer Auskunfts-, Beratungs- oder Hinweispflicht durch Unterlassen eines Hinweises auf die Dreimonatsfrist zur Antragstellung kann dem Sozialhilfeträger nicht entgegengehalten werden.
Normenkette
BGB §§ 1833, 1896, 1901, 1908i; SGB I §§ 13 ff; SGB V § 9 Abs. 2 Nr. 1; SGB X § 116
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen 1 O 3905/12) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 18.9.2012 - 1 O 3905/12, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
II. Der Beklagte hat keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des LG begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung, noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Gründe
Das LG hat das Versäumnisurteil des AG Erlangen vom 12.1.2012 aufrechterhalten und damit festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger übergehende Schadensersatzansprüche nach § 116 SGB X zu ersetzen, die dadurch entstehen, dass der Beklagte die rechtzeitige Anmeldung zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung seines Betreuten G versäumt hat. Der Senat macht sich die überzeugende Begründung des landgerichtlichen Urteils zu eigen.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend zu den Entscheidungsgründen des LG noch Folgendes auszuführen:
1. Der Anspruch des Betreuten gegen den Betreuer nach §§ 1896, 1908i Abs. 1 Satz 1, 1833 Abs. 1, 1901 BGB gehört zu den nach § 116 SGB X übergangsfähigen, d.h. kongruenten Ansprüchen. Der Kläger hat aufgrund eines Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen. Das Schadensereignis liegt darin, dass der Betreuer für seinen Betreuten keinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung erklärt hat und ist unabhängig davon, dass der Kläger über die Krankenhilfe originäre Aufgaben wahrnimmt.
§ 2 Abs. 2 SGB XII bestimmt hierzu, dass Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, unberührt bleiben. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Dieser Grundsatz der Nachrangigkeit (§ 2 Abs. 1 SGB XII) wird auch in dem Fall deutlich, dass der Betreute über Einkommen oder einsetzbares Vermögen verfügt. Dann müsste der Betreute - ohne entsprechende Versicherung - die Krankheitskosten selbst tragen, weil er nicht bedürftig ist.
2. Nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1833 Abs. 1 BGB ist der Betreuer dem Betreuten für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt. Die Pflichtverletzung des Beklagten besteht in der nicht rechtzeitigen Beantragung der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung seines Betreuten. Der Betreuungstatbestand der Gesundheitsfürsorge fordert von dem Betreuer, dass er die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen hat, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 BGB). Hierzu gehört auch, dass die betreute Person selbst über eine entsprechende Krankenversicherung verfügt, da anderenfalls für die in diesem Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der ärztlichen Versorgung entstehenden Kosten der Betreute selbst einzustehen hat. Demgemäß traf den Beklagten als Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises der Gesundheitsfürsorge eine eigene Pflicht, sich um den Krankenversicherungsschutz des Betreuten zu kümmern und diesen durch den fristgerechten Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung abzusichern.
3. Dabei ist die Versäumung der gesetzlichen Dreimonatsfrist nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V auch verschuldet, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt. Gemäß § 276 Abs. 1 Sat...