Leitsatz (amtlich)

1. Umfasst eine gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren sowohl gem. § 57 S. 2 FamFG beschwerdefähige als auch unanfechtbare Teile, so kann nicht die gesamte Entscheidung angefochten werden, sondern nur der beschwerdefähige Teil für sich.

2. Ein Jugendamt, welches durch das Amtsgericht in einem Beschluss zur elterlichen Sorge im einstweiligen Anordnungsverfahren aufgrund mündlicher Erörterung als Ergänzungspfleger ausgewählt und bestellt wurde, kann diesen Teil der Entscheidung nicht anfechten, weil es sich hierbei nicht um eine Entscheidung über die elterliche Sorge für ein Kind § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG handelt.

 

Normenkette

FamFG § 57 S. 2 Nr. 1, § 59 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Aktenzeichen 113 F 444/21)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Stadtjugendamts M... gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg - Abteilung für Familiensachen -, Az: 113 F 444/21, vom 17.11.2021 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht Nürnberg - Abteilung für Familiensachen - entzog mit Beschluss vom 29.07.2021 im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung der allein sorgeberechtigten Mutter vorläufig das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, das Recht zur Regelung von Schul- und Kindergartenangelegenheiten, Pass- und Meldeangelegenheiten, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Beantragung von Sozialleistungen für die Kinder K... G..., geboren am ... und K... M..., geboren am .... Soweit die Rechte der Mutter entzogen wurden, ordnete das Gericht in Ziffer 2 des Beschlusses die Ergänzungspflegschaft an und übertrug die entzogenen Rechte auf das Jugendamt der Stadt N....

Die Mutter, die beim Jugendamt N... bereits seit längerem bekannt ist und über deren Erziehungsfähigkeit in einem Hauptsacheverfahren durch das Amtsgericht Nürnberg (Az: 113 F 3531/20) bereits ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben ist, wurde zuletzt im Februar 2021 erneut Opfer häuslicher Gewalt durch den Vater der Kinder. Im März 2021 verzog die Mutter mit beiden Kindern in die Familienpension des Trägers P... in der D...straße ... in M..., das Jugendamt der Stadt Nürnberg suchte indes nach einer passenden Mutter-Kind-Einrichtung. Am 09.07.2021 wurde die Mutter zuletzt in M... gesehen, ihre Familie vermutet, sie sei mit beiden Kindern und dem Vater in die T... ausgereist.

Mit Beschluss vom 24.08.2021 ergänzte das Amtsgericht Nürnberg den Beschluss vom 29.07.2021 dahingehend, dass es die Herausgabe der Kinder an den Ergänzungspfleger und zur Vollstreckung der Herausgabe die Anwendung unmittelbaren Zwangs anordnete.

Da das Jugendamt der Stadt N... die Auffassung vertrat, aufgrund des Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder im März für die Ausübung der Ergänzungspflegschaft nicht mehr zuständig zu sein, beteiligte das Amtsgericht auch das Stadtjugendamt M... an dem Verfahren. Dieses erklärte schriftlich, da der Familie die Wohnung in M... zum 22.07.2021 gekündigt worden und der derzeitige Aufenthalt der Familie nicht bekannt sei, hätten die Kinder weder ihren tatsächlichen noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt derzeit in M.... Auch sei die Anordnung der Ergänzungspflegschaft bei unbekanntem Aufenthalt der Familie nicht das geeignete Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung, da die übertragenen Rechte durch den Ergänzungspfleger nicht ausgeübt werden könnten.

In einem Erörterungstermin vor dem Amtsgericht Nürnberg am 17.11.2021, zu dem sowohl die Eltern durch öffentliche Zustellung der Ladung als auch die Jugendämter der Städte N... und M... geladen worden waren, nahm die Verfahrensbeiständin der Kinder, ein Vertreter der Stadt N... als Ergänzungspflegerin sowie eine Vertreterin des Jugendamtes der Stadt N... teil. Im Anschluss an diese mündliche Verhandlung erließ das Amtsgericht aufgrund derselben im Wege der einstweiligen Anordnung folgenden Beschluss:

"Der Beschluss in hiesigem Verfahren vom 29.07.2021 abgeändert durch Beschluss vom 24.08.2021 wird gem. § 54 Abs. 1 S.1 insofern abgeändert als die Ziffer 2 nun lautet:

Soweit die Rechte der Mutter entzogen wurden, wird die Ergänzungspflegschaft angeordnet und die entzogenen Rechte übertragen auf das Jugendamt der Stadt M...."

Gegen diesen Beschluss wendet sich das Stadtjugendamt M... in seiner Beschwerde vom 15.12.2021, die am selben Tag bei dem Amtsgericht Nürnberg eingegangen ist. Der Beschluss vom 17.11.2021 sei dort erst am 14.12.2021 in Form einer weitergeleiteten Email des Jugendamts N... eingegangen. Eine Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Nürnberg an das Stadtjugendamt M... sei nicht erfolgt. Es werde beantragt, den Beschluss aufzuheben, da das Stadtjugendamt M... örtlich für die Pflegschaft nicht zuständig sei. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt je in M... gehabt hätten...

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