Leitsatz (amtlich)
Befindet sich ein minderjähriges Kind in der Obhut eines Elternteils, ist dieser gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann berufen, Unterhaltsansprüche des Kindes geltend zu machen oder das Kind in einem gegen dieses gerichteten Abänderungsverfahren zu vertreten, wenn, beim im Übrigen gemeinsamer elterlicher Sorge, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind im Wege der einstweiligen Anordnung dem anderen Elternteil übertragen worden ist. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers für ein von dem bisherigen barunterhaltspflichtigen Elternteil angestrebtes Unterhaltsabänderungsverfahren bedarf es daher in diesen Fällen nicht.
Der Begriff der Obhut im Sinn des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB wird ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 107 F 585/18) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Stadt N..., Stadtjugendamt, wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 27.5.2018 aufgehoben.
2. Die Beschwerde der Beteiligten S... S...l gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 27.5.2018 wird als unzulässig verworfen.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Beteiligte S... S... sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes D... F..., geboren am .... Von den Eltern ist am 15.7.2011 eine gemeinsame Sorgeerklärung für das Kind abgegeben worden. Der Antragsteller hat sich zur Niederschrift des Amtes für Jugend, Familie und Bildung der Stadt L... am 27.9.2012 unter der Urk.-Nr. ... verpflichtet, für das gemeinsame Kind D... ab 1.10.2012 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 128 % des Mindestunterhalts abzüglich der Hälfte des staatlichen Kindergeldes zu bezahlen.
Seit der Trennung seiner Eltern im März 2013 lebt D... bei seiner Mutter. Seit Ende 2017 halten sich die Beteiligte S... S... und D... in der U... auf.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg hat in dem Verfahren ... dem Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind D... zur alleinigen Ausübung übertragen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3.1.2018 bei dem Amtsgericht - Familiengericht - L... beantragt, auszusprechen, dass er mit Wirkung ab dem 1.12.2017 nicht mehr zur Zahlung von Kindesunterhalt für D... verpflichtet sei und die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Amtes für Jugend, Familie und Bildung der Stadt L..., Urk.-Nr. ... vom 27.9.2012 mit Wirkung ab dem 1.12.2017 eingestellt werde.
Das Amtsgericht - Familiengericht - L... erklärte sich mit Beschluss vom 20.2.2018 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg hat mit Beschluss vom 27.5.2018, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, für das Kind D... Ergänzungspflegschaft angeordnet und die Stadt N..., Stadtjugendamt, zum Ergänzungspfleger bestellt.
Gegen diese Entscheidung, welche ihr am 18.6.2018 zugestellt worden ist, hat die Stadt N..., Stadtjugendamt, mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 3.7.2018, eingegangen per Fax bei dem Amtsgericht Nürnberg an diesem Tag, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft sei nicht erforderlich, weil sich das Kind mit ausdrücklicher Genehmigung des Antragstellers bei der Mutter aufhalte und diese auch die tatsächliche Fürsorge für das Kind erbringe. Durch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den Antragsteller werde die Vertretungsbefugnis der Eltern für das Kind in Unterhaltsangelegenheiten nicht tangiert.
Den übrigen Verfahrensbeteiligten ist im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör eingeräumt worden.
II. Die zulässige Beschwerde der Stadt N..., Stadtjugendamt, führt zur Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 27.5.2018.
1. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 27.5.2018 findet die Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG statt.
Bei der Entscheidung vom 27.5.2018, mit welcher für das Kind D... Ergänzungspflegschaft angeordnet und ein Ergänzungspfleger bestellt worden ist, handelt es sich um eine Endentscheidung i. S. des § 58 Abs. 1 FamFG und nicht etwa lediglich um eine die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens vorbereitende Zwischenentscheidung im Unterhaltsverfahren, welche einer gesonderten Anfechtung nicht zugänglich wäre. Für diese Wertung ist ausschlaggebend, dass die Entscheidung, ob das Kind D... F... in dem vorliegenden Unterhaltsverfahren von seiner Mutter gesetzlich vertreten wird oder die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich ist, in einem grundsätzlich selbständigen Verfahren zu treffen war, welches für das vorliegende Unterhaltsstreitverfahren lediglich präjudizielle Wirkung hat. Das Verfahren über die Einrich...