Entscheidungsstichwort (Thema)
nachehelicher Unterhalt und Kindesunterhalt. Prozeßkostenhilfe für Stufenklage
Leitsatz (amtlich)
Für die Stufenklage ist Prozeßkostenhilfe im voraus für alle Stufen gleichzeitig zu bewilligen, auch wenn die Nachteile einer stufenweisen Bewilligung durch die neuere Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1995, 348, 349) weitgehend beseitigt sind.
Normenkette
ZPO §§ 254, 114; BGB §§ 1580, 1605
Tenor
I. Auf die Beschwerden der Klägerinnen vom 16.1.1996 hin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 3.1.19.96 i.V. mit der Nichtabhilfeentscheidung vom 1.2.1996 abgeändert.
II. Den Klägerinnen wird Prozeßkostenhilfe auch für die Stufen 2 und 3 ihrer Klage (eidesstattliche Versicherung und unbezifferte Leistungsanträge) bewilligt und Rechtsanwalt … beigeordnet.
Die Bewilligung für die unbezifferten Leistungsanträge ist auf die Höhe der sich aus der Auskunft und dem bisherigen Sachvortrag unterhaltsrechtlich ergebenden Ansprüche beschränkt. Ihr Umfang ist nach Erteilung der Auskunft bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu beziffern.
Tatbestand
I.
Die Klägerin zu 1) ist die geschiedene Ehefrau des Beklagten, die Klägerin zu 2) deren minderjährige Tochter. Für ihre Stufenklage haben die Klägerinnen Prozeßkostenhilfe beantragt, die ihnen das Amtsgericht nur für die Stufe 1 der Klage (Auskunftserteilung) bewilligt hat. Ihren Beschwerden hat das Amtsgericht nicht abgeholfen, weil es die Erfolgsaussicht der noch unbezifferten Leistungsanträge derzeit nicht prüfen könne.
Die Beschwerdeführerinnen halten die getroffene Beschränkung der Prozeßkostenhilfe auf die 1. Stufe ihrer Klage (Auskunftserteilung) für unzulässig und beantragen, Prozeßkostenhilfe sogleich für alle Anträge der Stufenklage zu bewilligen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerden sind zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) und begründet.
Für die Stufenklage i.S. des § 254 ZPO ist Prozeßkostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) schon vor Erteilung der Auskunft (Stufe 1) sogleich für alle Klageanträge, also auch für den unbezifferten Leistungsantrag (Stufe 3), einheitlich zu bewilligen, weil eine (vorläufige) Beschränkung der Bewilligung auf die Auskunftsstufe für eine mittellose oder hilfsbedürftige Klagepartei nicht unerhebliche Nachteile bringen würde (vgl. OLG Köln FamRZ 1995, 1503, 1504; OLG München FamRZ 1994, 1126, 1127; FamRZ 1994, 1184; FamRZ 1993, 340; 1993, 594; OLG Hamm FamRZ 1994, 312; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 1241; FamRZ 1991, 1458; OLG Düsseldorf FamRZ 1987, 1281; FamRZ 1985, 417; KG Berlin,FamRZ 1986, 284; OLG Koblenz FamRZ 1985, 953; OLG Karlsruhe FamRZ 1984, 501; Zöller/Philippi, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 114 Rn, 37; Baumbach/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., 1996, § 114, Rn. 39; MünchKomm/Wax, ZPO, § 114, Rn. 13; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 114 Rn. 33; Kalthoener/Büttner, Prozeßkostenhilfe, Rn. 459; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, § 8, Rn. 52; Egon Schneider, MDR 1986, 552).
Diese Nachteile sind zwar nicht so groß und vielfältig, wie ein Teil der Rechtsprechung und Literatur sie zur Begründung ihrer Ansicht darstellen; sie sind aber keineswegs – wie die Gegenmeinung (vgl. OLG Naumburg, FamRZ 1994, 1042; OLG Bamberg – JurBüro 1992, 622; FamRZ 1986, 371; OLG Koblenz FamRZ 1985, 416; Schwab/Maurer, Scheidungsrecht, 3. Auflage, Teil I, Rn. 174, 175) behauptet – nicht vorhanden oder zu vernachlässigen.
Die Nachteile bestehen in der Inanspruchnahme der Klägerin auf die bereits mit Einreichung der Stufenklage (Anhängigkeit) entstehende Prozeßgebühr ihres Rechtsanwalts (§ 17, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO; OLG Frankfurt FamRZ 1993, 1241), die dieser nicht in voller Höhe aus der Staatskasse (§ 127 BRAGO) erhält, weil sie sich nach dem höheren Streitwert der unbezifferten Leistungsklage (Stufe 3) bemißt (§ 18 GKG) und Prozeßköstenhilfe nur für den geringeren Streitwert der Auskunftsstufe bewilligt wurde; sie bestehen ferner in dem nicht durch Prozeßkostenhilfe gedeckten Kostenrisiko für die Klagestufen 2 und 3, weil mit Zustellung der Stufenklageschrift auch die von der PKH-Bewilligung nicht erfaßten Klageanträge 2 und 3 rechtshängig werden (vgl. BGH FamRZ 1995, 797; FamRZ 1995, 729), sich durch die Auskunftserteilung herausstellen kann, daß ein Leistungsanspruch nicht besteht, und die Klägerin ihre Klageanträge zu 2 und 3 zurücknehmen (Kostenfolge des.§ 269 Abs. 3 ZPO) oder für erledigt erklären muß, wenn sie nicht eine Klageabweisung hinnehmen will. Bei einseitiger Erledigterklärung kommt ein Kostenausspruch zugunsten der Klägerin weder nach § 91 ZPO noch in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO in Betracht (BGH FamRZ 1995, 348). Der Nachteil des Kostenrisikos hinsichtlich der Stufen 2 und 3 wird auch nicht dadurch gänzlich beseitigt, daß der Klägerin wegen nicht rechtzeitiger (vorgerichtlicher) Auskunftserteilung ein Schadensersatzaispruch (§ 286 BGB) in Höhe der Kosten der Stufen 2 und 3 und damit ein Kostenerstattungsanspruch zustehen kann, den sie sogleich in dem anhängigen Rechtsstreit der Stufenklage geltend machen kann mit der F...