Leitsatz (amtlich)

1. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Resozialisierungsinteresses in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ist dem Sicherungsverwahrten bei Geltendmachung vorenthaltener Vollzugslockerungen im Rahmen von Art. 208 BayStVollzG in Verbindung mit § 115 Abs. 3 StVollzG das erforderliche Feststellungsinteresse in Form des Rehabilitierungsinteresses zuzubilligen.

2. Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet an Stelle der Strafvollstreckungskammer über eine Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn bereits die Strafvollstreckungskammer mit dieser befasst war und eine vollständige Tatsachengrundlage geschaffen hat.

3. Die Erledigung eines gerichtlichen Verfahrens nach §§ 109 ff. StVollzG kann aus Gesichtspunkten des Amtsermittlungsverfahrens auch unabhängig vom Vorliegen einer förmlichen Erledigterklärung seitens des Antragstellers auszusprechen sein.

 

Normenkette

BayStVollzG Art. 54; StVollzG §§ 109, 115 Abs. 3; BayStVollzG Art. 208

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Entscheidung vom 08.04.2014; Aktenzeichen StVK 318/13)

GenStA Nürnberg (Aktenzeichen 8 Ws 252/14)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des R... B... wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 08. April 2014 in dessen Ziffern 2. und 3. aufgehoben. Bezüglich Ziffer 1. erfolgt die Aufhebung insoweit, als sich diese auf Ziffer 1. des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 28. Oktober 2013 (entspricht Ziffer II. Buchstabe a) der Beschlussgründe) bezieht.
  2. Es wird festgestellt, dass die Regelung des Vollzugsplans der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 13. Oktober 2013 in dessen Ziffer 12., soweit dem Rechtsbeschwerdeführer Begleitausgänge verweigert wurden, rechtswidrig war und den Rechtsbeschwerdeführer in seinen Rechten verletzte.
  3. Der Antrag des Rechtsbeschwerdeführers zu Ziffer 6. des Vollzugsplans vom 13. Oktober 2013 hat sich erledigt.
  4. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers zu tragen.
  5. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000.- € festgesetzt.
 

Gründe

I.

Gegen den Antragsteller wurde mit Urteil des Landgerichts Coburg vom 18.10.2008, rechtskräftig seit 18.03.2009, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet, welche seitdem in der Justizvollzugsanstalt Straubing vollzogen wird.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28.10.2013 wandte sich der Antragsteller gegen die Fortschreibung des Vollzugsplans für die Sicherungsverwahrung vom 13.10.2013. Er beantragte die Aufhebung von dort festgeschriebenen Einschränkungen bezüglich vollzugsöffnender Maßnahmen. Auch stellte er den Antrag, die Justizvollzugsanstalt Straubing zu verpflichten, ihm begleitete Ausgänge zu gewähren. Ferner beantragte er die Aufhebung der Regelung, nach welcher er eine Arbeitsstelle bei der Firma M... aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht aufnehmen könne.

Im Vollzugsplan vom 13.10.2013 ist unter der Ziffer 6. hierzu festgehalten, der Sicherungsverwahrte habe in einem Gespräch angegeben, dass er derzeit (Stand 05.09.2013) nur bei der Firma M... beschäftigt werden wolle. Aus sicherheitsrelevanten Gründen sei eine Beschäftigung bei der Firma M... jedoch zur Zeit nicht möglich. Einen anderen Arbeitsplatz wolle der Verwahrte nicht annehmen.

Im fortgeschriebenen Vollzugsplan vom 06.12.2013 sowie in der Fortschreibung vom 21.03.2014 wird zu Beschäftigungsmöglichkeiten ausgeführt, der Untergebrachte wolle nur bei der Firma M... beschäftigt werden. Der Verwahrte sei 2009 aufgrund seines Verhaltens gegenüber Mitarbeitern aus diesem Betrieb abgelöst worden. Es sei derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob ein erneuter Arbeitseinsatz in diesem Betrieb möglich sei. Einen anderen Arbeitsplatz wolle der Untergebrachte jedoch ausdrücklich nicht annehmen.

In Ziffer 12. der Vollzugsplanfortschreibung vom 13.10.2013 ist ausgeführt, der Sicherungsverwahrte habe bislang fünf Einzelausführungen seit Dezember 2012 erhalten. Gemäß Artikel 54 Abs. 3 BaySvVollzG würden dem Sicherungsverwahrten zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung und zur Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen mindestens vier Ausführungen im Jahr gewährt. Nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. N... sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene bei Ausführungen deliktisch auffällig werde, äußerst gering. Positive Faktoren in Bezug auf die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen seien die Freizeitgestaltung, die zunehmende Absprachefähigkeit des Verwahrten und die bisherigen beanstandungsfreien Ausführungen. Gegen weitergehende vollzugsöffnende Maßnahmen nach § 54 Abs. 1 BaySvVollzG spreche neben der fortbestehenden Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten dessen kriminelle Vorgeschichte. Eine Tat sei begangen worden, als er noch unter Führungsaufsicht gestanden sei. Auch zeige der Abbruch einer Sexualstraftätertherapie nach acht Monaten nach Einschätzung des Sachverständigen...

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