Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Internet-Suchmaschinenbetreiber besteht grundsätzlich keine Rechtspflicht, die von ihm verlinkten Seiten auf eine etwaige Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Dritten zu überprüfen. Erfolgt jedoch durch den Dritten eine inhaltlich sachlich gehaltene Abmahnung, dann ist es jedenfalls einem der weltweit größten Suchmaschinenbetreiber im Einzelfall zuzumuten, in eine Überprüfung der Abmahnung einzutreten.
2. Bei klaren und eindeutigen Rechtsverstößen ist der Beurteilungsspielraum bei dieser Überprüfung eingeschränkt mit der Folge, dass der Suchmaschinenbetreiber als Störer nach § 1004 BGB zu qualifizieren ist, wenn er die konkret beanstandete Verlinkung auf eine bestimmte Webseite weiter aufrechterhält.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 06.05.2008; Aktenzeichen 11 O 51/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 6.5.2008 - Az: 11 O 51/08 wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antragsteller wurde 1992 wegen Mordes an einem bekannten Schauspieler zu lebenslanger Haft verurteilt, welche er ab 1992 verbüsste. Im Januar 2008 ist er auf Bewährung aus der Haft entlassen worden. Durch mehrere oberlandesgerichtliche Urteile ist auf Antrag des Antragstellers untersagt worden, bei Berichterstattungen über seine vorzeitige Haftentlassung seinen vollen Namen zu nennen (z.B. OLG Nürnberg, 3 U 2023/06 und 3 U 1438/07).
Die Antragsgegnerin betreibt die weltweit größte Internetsuchmaschine. Sie verlinkt so auch eine unter www.m.com abrufbare Webseite, auf der ein Beitrag (Anlage K 1) veröffentlicht ist, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
"Rechtsanwalt A. S. macht mit Mördern dicke Abmahnkohle Veröffentlicht 21.09.2007 A., Mörder, Namensnennung, Zensur Psst, streng geheim! Meine Kuh hat mir erzählt, dass in Deutschland niemand wissen darf, dass R. P. und M. verurteilte Mörder sind, die für ihre Verbrechen im Gefängnis sitzen. Wer die Namen der Mörder trotzdem nennt, der verletzt das Persönlichkeitsrecht der Mörder und muss sich ihnen unterwerfen. Das zumindest meint Rechtsanwalt A. S. von der F. Kanzlei S & S, der sich von den Mördern Mandate zur Säuberung von Medien und Internet organisiert hat, und nun in Serienabmahnungen wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Mörder Streitwerte im deutlich fünfstelligen Euro-Bereich ansetzt und so reichlich Abmahnkosten abzockt.
Dank der schönen Mandate von den Verbrechern, die so spektakuläre Morde begangen haben, dass darüber auch nach vielen Jahren noch reichlich geredet und geschrieben wird, ist der Job von Abmahnanwalt A. S. ganz einfach. Er braucht einfach nur noch die Namen der Mörder in Suchmaschinen einzugeben und kann dann aus jedem deutschen Treffer anständig Geld machen. Danach muss A. S. bloß noch den Namen des für die Veröffentlichung Verantwortlichen in ein Serienbriefformular eingeben, ein paar Felder zum Ort der Veröffentlichung und Fristen zur Unterwerfung unter den Mörder ausfüllen, einen Ausdruck des Serienbriefes in die Post geben und schon hat A. S. wieder locker 1.000 EUR Abmahnkosten im Sack."
Der weitere Inhalt des Artikels beschäftigt sich kritisch mit der Rechtsprechung, die dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zubilligt und die jeweiligen Prozessgegner dann wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts verurteilt, bzw. bereits verurteilt hat. Am Ende heißt es:
"Dank zensurfreundlicher Richter läuft das Geschäft mit Mördern in Deutschland nach wie vor prima. Hoch lebe die deutsche Tradition!"
Der Antragsteller sowie weitere im Artikel namentlich genannte verurteilte Personen haben die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den Inhalt der Webseite wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts in Anspruch nehmen lassen und von ihr mit anwaltlichem Schreiben vom 28.11.2007 die Entfernung des Artikels aus der Suchmaschine der Antragsgegnerin gefordert. Zur Begründung ist dort ausgeführt, dass der Artikel in schwerwiegender Weise in das Persönlichkeitsrecht und das grundgesetzlich geschütztes Recht auf Resozialisierung eingreife. Es sei inzwischen mehrfach entschieden worden, dass über den Antragsteller nicht mehr öffentlich unter voller Namensnennung berichtet werden dürfe. Der Antragsteller führt in diesem Zusammenhang gerichtliche Entscheidungen auf, die er der Antragsgegnerin nach Aufforderung auch übersandt hat.
Die Antragsgegnerin hat nach Übersendung der Urteile dem Antragsteller eine E-Mail zukommen lassen, welche auszugsweise lautet wie folgt:
"Vielen Dank für die Übersendung der Urteile, die aus Ihrer Sicht eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte Ihrer Mandanten in dem vorliegenden Fall belegen sollen. Aus unserer Sicht ist die Rechtslage jedoch vorliegend alles andere als eindeutig. Analysiert man die von Ihnen angeführten Urteile, wird deutlich, dass die Gerichte keinesfalls jede namentliche Erwähnung eines Straftäters als Persönlichkeitsrechtsverletzung ansehen, sondern dass jeweils im Einzelfall eine detaillierte Prü...