Leitsatz (amtlich)
1. Das FamG ist zur Regelung der elterlichen Sorge trotz Anhängigkeit eines Trennungsverfahrens nach Art. 150 ff. des italienischen Zivilgesetzbuches zuständig, wenn die Kinder nach einem Aufenthaltswechsel ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
2. Das Vorliegen einer im Rahmen des Trennungsverfahrens getroffenen vorläufigen Sorgerechtsregelung des vormaligen Aufenthaltsgerichts steht einer erstmaligen Sorgerechtsregelung des FamG nicht entgegen, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts in Deutschland keine Rechtswirksamkeit entfaltet.
Normenkette
MSA Art. 1, 13 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2; BGB §§ 1671, 1697a
Verfahrensgang
AG Erlangen (Aktenzeichen 2 F 910/00) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG – FamG – Erlangen vom 5.1.2001 abgeändert.
II. Die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder der Parteien D.B., geb. 29.7.1995, und N.B., geb. 27.11.1997, wird auf die Antragstellerin übertragen.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 15.6.1993 die Ehe geschlossen. Die Antragstellerin ist deutsche und italienische Staatsangehörige, der Antragsgegner italienischer Staatsangehöriger. Aus der Ehe sind die beiden Kinder D., geb. 29.7.1995 und N., geb. 21.11.1997, hervorgegangen. Beide Kinder besitzen jeweils die deutsche und italienische Staatsangehörigkeit.
Bis zum Auszug der Antragstellerin mit den Kindern im Mai 1999 lebte die Familie in O./Italien. Seitdem wohnt die Antragstellerin mit beiden Kindern in H. in Deutschland.
Am 8.6.1999 stellte der Antragsgegner einen Antrag auf gerichtliche Trennung seiner Ehe beim Gericht in N./Italien.
Im Rahmen dieses Verfahrens (Nr. 684/99 R.G.C.) erließ die Präsidentin des Gerichts in N. im Anschluss an einen Anhörungstermin, zu der die Antragstellerin trotz zugestellter Ladung nicht erschienen war, am 14.12.1999 einen Beschluss vorläufiger Natur, in dem sie u.a.
1. die Ehegatten ermächtigte, getrennt zu leben,
2. die Kinder D. und N. dem Vater zusprach und die Mutter verpflichtete, ihre sofortige Rückkehr nach Italien zu veranlassen und
3. die eheliche Wohnung in O. dem Vater zusprach.
Der Beschluss vom 14.12.1999 wurde am 30.12.1999 mit einer Vollstreckungsklausel versehen, am 3.1.2000 wurde ein gesonderter Vollstreckungsbefehl erlassen.
Nach einem Termin am 6.4.2000, in dem beide Eltern anwesend waren, wies das Gericht in N. am 20.4.2000 die Einwendungen der Antragstellerin gegen den vorläufigen Beschluss zurück. Das Gericht in N. hat in der Folgezeit in dem bei ihm anhängigen Trennungsverfahren mehrere Beweistermine anberaumt.
Den Antrag des Antragsgegners, die Gerichtsentscheidung des Tribunale di N. vom 14.12.1999 in Deutschland für vollstreckbar zu erklären, hat das AG Nürnberg (AG Nürnberg, Beschl. v. 13.12.2001 – 107 F 2337/00) zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wurde vom OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.6.2001 – 7 UF 910/01) zurückgewiesen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.
Am 17.8.2001 beantragte die Antragstellerin beim AG - FamG - Erlangen – 2 F 910/00 –, ihr in Abänderung der Entscheidung des Tribunale di N. vom 14.12.1999 die elterliche Sorge für die Kinder D. und N. gem. §§ 1696, 1671 BGB zu übertragen. Diesen Antrag wies das AG – FamG – Erlangen mit Beschluss vom 5.1.2001 mit der Begründung zurück, der Antrag sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit – Verfahren vor dem Tribunale di N. – unzulässig. Auf die Gründe der Entscheidung des FamG wird im Einzelnen verwiesen (Blatt 49–52 d.A.).
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 19.12.2001 an das OLG Nürnberg wird wie folgt begründet:
Eine anderweitige Rechtshängigkeit eines Sorgerechtsverfahrens vor dem Tribunal di N. sei nicht gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Abänderung der Entscheidung vom 20.12.1999 liege vor. Ein Aufenthaltswechsel gegen den Willen des Antragsgegners sei nicht erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Abänderung der Entscheidung des Tribunal di N. nach deutschem Recht seien gegeben. Wegen fehlender Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung vom 14.12.1999 in Deutschland sei sogar eine Erstentscheidung gem. § 1671 BGB veranlasst. Die sachlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung seien wegen der nunmehr mehrjährigen Aufenthalts der Kinder in Deutschland und der damit verbundenen Einbindung in ihrer jetzigen Umgebung zu bejahen.
Die Antragstellerin beantragt daher, die elterliche Sorge für die Kinder D.B., geb. am 29.7.1995, und N.B., geb. am 27.11.1997, in Abänderung der Entscheidung des Tribunal di N. vom 14.12.1999 auf die Antragstellerin zu übertragen, hilfsweise die Übertragung der elterlichen Sorge in Form einer Erstentscheidung auf die Antragstellerin auszusprechen.
Der Antragsgegner bean...