Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Kindes auf Herausgabe seiner persönlichen Unterlagen (hier: Impfpass und Untersuchungsheft) gegen einen Elternteil beruht auf §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB analog.
Es handelt sich gleichwohl um keine eigentliche Unterhaltssache, sondern um eine sonstige Familiensache, mit der ein Anspruch aus dem Eltern-Kind-Verhältnis geltend gemacht wird.
Leben die Eltern getrennt, kann der Anspruch durch den Obhutselternteil in gesetzlicher Verfahrensstandschaft analog § 1629 Abs. 3 BGB geltend gemacht werden.
Auf das Eigentum an den Unterlagen kommt es im Elternstreit nicht an.
Normenkette
BGB §§ 1361a, 1601, 1610 Abs. 2, § 1629 Abs. 3, § 1632 Abs. 1; FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 4; ZPO §§ 288, 292
Verfahrensgang
AG Cham (Beschluss vom 28.07.2015; Aktenzeichen 002 F 131/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Teil-Anerkenntnis- und Endbeschluss des AG - Familiengericht - Cham vom 28.07.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100,-- Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Herausgabe von Impfpass und Untersuchungsheft ihres gemeinsamen Kindes.
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute, aus deren Ehe das Kind N., geboren am 26.08.2008, hervorgegangen ist. N. lebt bei ihrer Mutter, zwischen den Beteiligten sind zahlreiche, auch sorgerechtliche Streitigkeiten anhängig.
Die Antragstellerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie benötige den Impfpass und das Untersuchungsheft. Für das Kind sei im August die Auffrischung einer Impfung erforderlich. Zudem lebe das Kind bei ihr.
Sie hat deshalb beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, an sie den Impfpass und das Untersuchungsheft betreffend das Kind herauszugeben.
Der Vater hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat im Termin vom 07.07.2015 erklärt, das Impfbuch und das Untersuchungsheft für N. seien bei ihm, er sehe jedoch keinen Grund zur Herausgabe, da die Sachen nicht bzw. lediglich für die von der Mutter aus seiner Sicht unrechtmäßig vorgenommene Schulanmeldung benötigt würden.
Der Vater hat zudem erstinstanzlich im Wege des Widerantrags beantragt, die Mutter zu verurteilen, das Stammbuch der Familie an ihn herauszugeben. Die Antragstellerin hat diesen Widerantrag anerkannt.
Das AG hat das vorliegende Verfahren als Verfahren zur elterlichen Sorge geführt, jedoch eine Güteverhandlung durchgeführt und ist in das streitige Verfahren eingetreten.
Mit Teil-Anerkenntnis- und Endbeschluss vom 28.07.2015 hat es den Antragsgegner verpflichtet, Impfpass und Untersuchungsheft an die Antragstellerin herauszugeben (Ziffer 1), die Antragstellerin wurde verpflichtet, das Stammbuch der Familie an den Antragsgegner herauszugeben (Ziffer 2).
Zur Begründung führt das AG aus, es handle sich bei Impfpass und Untersuchungsheft in rechtlicher Hinsicht um Haushaltsgegenstände gemäß § 1361a BGB. Es entspreche der Billigkeit, der Mutter, bei der das Kind N. momentan lebe, auch die hierfür erforderlichen Unterlagen und Urkunden zur Verfügung zu stellen. Soweit der Vater durch Verweigerung der Herausgabe des Untersuchungsheftes die aus seiner Sicht unrechtmäßige Einschulung N. sanktionieren wolle, sei dies kein sachlich rechtfertigender Grund. Die Kostenentscheidung richte sich nach § 81 FamFG. Laut der Rechtsbehelfsbelehrung besteht für die Beschwerde Anwaltszwang.
Gegen diesen der Bevollmächtigten des Antragsgegners am 04.08.2015 zugestellten Beschluss wendet sich dieser mit seiner durch seine Bevollmächtigte am 03.09.2015 beim AG eingelegten Beschwerde. Er sei nicht mehr in der Lage, den Impfpass sowie das Untersuchungsheft herauszugeben. Nach Erhalt des Beschlusses habe er feststellen müssen, dass die Unterlagen, zu deren Herausgabe er durch den Beschluss verpflichtet sei, nicht auffindbar gewesen seien. Nachdem er die von ihm bewohnte Wohnung abgesucht und die Unterlagen nicht gefunden habe, sei für ihn nur noch die Möglichkeit in Frage gekommen, dass er die Unterlagen gemeinsam mit den Untersuchungsheften sowie den Impfpässen für die weiteren gemeinsamen Kinder im Auto gehabt haben müsse. Er habe am 18.06.2015 einen Autounfall auf dem Weg zum Arzt mit den bei ihm lebenden weiteren gemeinsamen Kindern gehabt. Aus diesem Grund habe er auch die Unterlagen bei sich gehabt. Das Fahrzeug habe Totalschaden erlitten. Es sei zunächst von der Polizei beschlagnahmt und wenige Tage später verschrottet worden.
Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluss des AG in Ziffer 1 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Es sei wahrheitswidrig, dass sich das Untersuchungsheft und der Impfpass für das Kind in dem Fahrzeug des Antragsgegners befunden hätten. Unabhängig davon, dass der Antragsgegner mit seinem Vortrag präkludiert sei, stelle dieser Vortrag lediglich eine aus der Luft gegriffene Schutzbehauptung dar.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2015 teilt der Antragsgegner mit, er habe sich geirrt. Er sei der...