Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, die einen Schriftsatz gemäß § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreicht, ist nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Aus diesem Grund kann die zusätzliche Übermittlung per Telefax einer erforderlichen Anfertigung einer Mehrfertigung nicht gleichstehen und deshalb den Anfall einer Dokumentpauschale nach Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG nicht begründen. Einer entsprechenden Anwendung dieser Kostenvorschrift steht das kostenrechtliche Analogieverbot entgegen.
Normenkette
GKG § 28 Abs. 1 S. 2; KV-GKG Nr. 9000 Ziff. 1 Buchst. b Hs. 2
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 14 O 1164/17) |
Tenor
Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte S. Partnerschaftsgesellschaft mbB, hin wird der Kostenansatz des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 09.02.2021 - Kostenrechnung der Landesjustizkasse Bamberg vom 11.02.2021 mit Kassenzeichen 631210577407 - aufgehoben.
Gründe
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 09.11.2020 begründete seine Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 08.02.2021. Dieser Schriftsatz wurde vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt am 09.02.2021 um 4.25 Uhr elektronisch über das besondere Anwaltspostfach bei Gericht eingereicht. Wenig später, nämlich am 09.02.2021 um 4.29 Uhr sowie nochmals um 4.37 Uhr, ging der 29-seitige Schriftsatz weitere zweimal per Telefax ein und wurde von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt. In der Folge setzte das Oberlandesgericht Nürnberg am 09.02.2021 für den Ausdruck der beiden Telefaxe, mithin für insgesamt 58 Seiten, unter Berufung auf die Dokumentenpauschale Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b KV-GKG gegenüber der Beklagtenvertreterin Kosten in Höhe von insgesamt 26,20 EUR an. Dieser Betrag wurden am 11.02.2021 unter dem Kassenzeichen 631210577407 der Beklagtenvertreterin in Rechnung gestellt.
Dagegen wandte sich die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 17.02.2021. Sie vertritt die Auffassung, der Kostenansatz verstoße gegen Art. 103 GG, der den freien Zugang zu den Gerichten mitumfasse. Ein Anspruch der Justizbehörden, Schriftsätze nur in bestimmter Anzahl oder nur auf einem Versandweg zu erhalten, existiere nicht. Es liege auch keine Mehrfertigung vor, wenn bei einer bedeutsamen Berufungsbegründungsfrist aus Sicherheitsgründen neben dem Versand über das besondere Anwaltspostfach auch der allgemeine Telefaxzugang genutzt werde. Die doppelte Einreichung über Telefax beruhe darauf, dass ein Telefax zunächst nicht erfolgreich versandt worden sei. Es seien durch den Ausdruck auch keine Schreibauslagen entstanden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagtenvertreterin wird auf den Schriftsatz vom 17.02.2021 Bezug genommen.
Am 18.02.2021 entschied die Kostenbeamtin, der Erinnerung nicht abzuhelfen.
Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Die Staatskasse verweist darauf, dass nach der Übermittlung als elektronisches Dokument die Mehrfacheinreichung des gleichen Schriftsatzes auf einem weiteren Übermittlungsweg nicht mehr notwendig gewesen sei und zu einem Mehraufwand geführt habe. Weil die zweimal per Telefax übersandte Berufungsbegründung bei Gericht ausgedruckt worden sei, sei nach Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG eine Dokumentenpauschale angefallen. Dabei habe es die Beklagtenvertreterin zu verantworten, dass die Berufungsbegründung neben der elektronischen Einreichung unnötigerweise noch zweimal per Telefax übermittelt worden sei, weshalb sie hafte. Die Einreichung von - überzähligen - Schriftsätzen werde nicht begrenzt. Die Kostenpflicht resultiere daraus, dass die Beklagtenvertreterin für den Ausdruck der Mehrfertigungen die Empfangseinrichtungen des Gerichts in Anspruch genommen habe. Das rechtliche Gehör werde dadurch nicht verletzt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Stellungnahme vom 11.03.2021 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 24.03.2021 wurde das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach Anhörung der Beteiligten auf den Senat übertragen.
II. Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 09.02.2021 hat in der Sache Erfolg.
Es steht außer Frage, dass die zusätzliche Einreichung eines (inhaltlich identischen) Schriftsatzes, der bereits zuvor elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt worden ist, per Telefax letztlich dem System des elektronischen Rechtsverkehrs zuwiderläuft. Das gilt insbesondere dann, wenn das Telefax als weitere Form der Übermittlung von einem Rechtsanwalt "aus Sicherheitsgründen" gewählt wird. Denn bei der Übersendung von Schriftstücken an das Gericht über das besondere Anwaltspostfach geht sofort eine automatisierte Eingangsbestätigung ein (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO). Hierdurch erlangt der Absender gerade unmittelbar Gewissheit darüber, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war o...