Leitsatz (amtlich)
1.) Fährt ein Linienbus auf einen vorausfahrenden, seine Geschwindigkeit reduzierenden Pkw auf und werden dabei Fahrgäste des Linienbusses verletzt, so haften die Fahrzeughalter des Linienbusses und des Pkw den Verletzten aus Gefährdungshaftung gesamtschuldnerisch in vollem Umfang.
2.) Gegenüber den verletzten Fahrgästen kann sich der Halter des Pkw nicht darauf berufen, der Auffahrunfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Die Haftungsbefreiung nach § 17 Abs. 1 u. 3 StVG wirkt nur im Innenverhältnis des Haftungsausgleichs zwischen den beteiligten Fahrzeughaltern.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1-2, § 17 Abs. 1, 3; BGB § 426
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2 O 4863/11) |
Tenor
Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO:
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 12.10.2011 - 2 O 4863/11, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Der Senat hat die gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände geprüft und gewürdigt. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte können ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
II. Die Beklagten haben keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) oder konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des LG begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Auf die zutreffenden Darlegungen im Ersturteil wird Bezug genommen. Durch die mit der Berufung vorgebrachten Argumente sieht sich der Senat nicht zu einer vom Erstgericht abweichenden rechtlichen Beurteilung veranlasst.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist ergänzend zu den Entscheidungsgründen des LG noch Folgendes auszuführen:
1.) Die Haftung für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 10.7.2010 ergibt sich für den Beklagten zu 1) aus § 7 Abs. 1 StVG, für die Beklagte zu 2) aus § 115 Abs. 1 VVG, § 1 PflVG. Die Schadensersatzansprüche der durch den Unfall verletzten Businsassen B., Kr., Ko. und S. sind gem. § 116 SGB X im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Klägerin übergegangen.
Der Beklagte zu 1) ist Halter des an dem Unfall beteiligten Pkw ..., bei dessen Betrieb die Businsassen verletzt worden sind. Als Fahrzeughalter haftet der Beklagte zu 1) im Wege der Gefährdungshaftung gem. § 7 Abs. 1 StVG unabhängig von einem etwaigen Verschulden für die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr. Die Haftung ist nicht gem. § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da - wie auch von den Beklagten in der Berufungsbegründung dargelegt - der Unfall nicht durch höhere Gewalt, sondern durch einen verkehrstypischen Betriebsvorgang verursacht worden ist.
2.) Die so begründete Haftung des Beklagten zu 1) gegenüber den Businsassen ist nicht durch § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob der Unfall vorliegend ein "unabwendbares Ereignis" für den Beklagten zu 1) dargestellt hat, betrifft § 17 Abs. 3 StVG nur die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zum Schadensausgleich im Innenverhältnis gegenüber dem weiteren beteiligten Fahrzeughalter i.S.d. § 17 Abs. 1 StVG, hier also der Halterin des Linienbusses. Gegenüber Dritten, die bei dem Unfall verletzt worden sind, haften beide Fahrzeughalter gem. § 7 StVG gesamtschuldnerisch in vollem Umfang (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 21. Aufl., § 17 StVG Rz. 25).
3.) Ein etwaiges Teilungsabkommen zwischen der Klägerin und der Haftpflichtversicherung des Linienbusses ändert an diesem Ergebnis nichts. Auf etwaige Ansprüche gegenüber der Halterin des Linienbusses müssen sich die Geschädigten und somit auch die Klägerin nicht verweisen lassen. Die unterschiedlichen Verursachungsanteile an dem Verkehrsunfall können erst beim Gesamtschuldnerausgleich zwischen den beiden Fahrzeughaltern gem. § 17 Abs. 1 u. 3 StVG, § 426 BGB Berücksichtigung finden. Ob die Beklagten danach im Innenverhältnis von der Halterin des Linienbusses (und der hinter ihr stehenden Haftpflichtversicherung) den Ausgleich des gesamten Erstattungsbetrages verlangen können, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung.
III. Aus den unter II. genannten Gründen beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Der Senat regt daher die Rücknahme der Berufung an. Dies hätte gegenüber der unanfechtbaren Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO Kostenvorteile ...