Leitsatz (amtlich)
1. §§ 246a Abs. 2 Nr. 2, 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG erfordern den vom Aktionär zu führenden Nachweis, dass dieser als Kläger des Anfechtungsklageverfahrens (Antragsgegner des Freigabeverfahrens) bereits zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung, auf welcher der angefochtene Beschluss gefasst wurde, und auch noch in der Folgezeit das erforderliche Quorum eines anteiligen Aktienbesitzes von mindestens 1.000 EUR hält. Der Nachweis des Erreichens des erforderlichen Aktienquorums allein zu einem bestimmten Stichtag (hier: für die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung gem. § 123 AktG maßgeblicher Zeitpunkt) ist insoweit nicht ausreichend.
2. Bei der in §§ 246a Abs. 2 Nr. 2, 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG normierten Nachweisfrist von 1 Woche handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Wiedereinsetzung wegen Versäumung dieser Frist kommt nicht in Betracht.
3. Der nach §§ 246a Abs. 2 Nr. 2, 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG zu führende Nachweis anteiligen Aktienbesitzes des Anfechtungsklägers von mindestens 1.000 EUR ist nicht erforderlich, wenn und soweit die Erreichung des Aktienquorums unstreitig wird.
4. Unstreitiges Vorbringen im Verfahren der Anfechtungsklage erfasst nicht auch das Freigabeverfahren und steht einem in diesem Verfahren erfolgten Bestreiten nicht entgegen. Es handelt sich bei beiden Verfahren um selbständige eigenständige, der ZPO und der in dieser Verfahrensordnung geltenden Dispositionsmaxime sowie dem Beibringungsgrundsatz unterstellte Verfahren. Aufgrund dieser zivilprozessualen Grundsätze kann unterschiedlicher Sachvortrag der Parteien in beiden Verfahren dazu führen, dass dieselbe Tatsache in einem Verfahren als streitig und im anderen als unstreitig zu behandeln ist.
Normenkette
AktG § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 5 S. 3 Nr. 2, § 246a Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 1 HK O 4123/10) |
Tenor
I. Das Rubrum wird dahin berichtigt, dass die korrekte Bezeichnung der ...
II. Es wird festgestellt, dass die beim LG Nürnberg-Fürth unter dem Aktenzeichen 1 HK O 4123/10 erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage der Eintragung des angefochtenen Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 20.4.2010 zu Tagesordnungspunkt 1, die Aktien der Mnderheitsaktionäre der Antragstelterin gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. AktG) gegen Gewährung einer von der ... zu zahlenden Barabfindung i.H.v. 1,90 EUR je auf den Inhaber lautende Stückaktie auf die ... Corporation als Hauptaktionärin zu übertragen, nicht entgegensteht und mögliche Mängel des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 130.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtegerichts ... unter ... tragene Aktiengesellschaft. Geschäftsgegenstand sind Herstellung und Vertrieb von Computern und Büromaschinen, insbesondere von Schreibmaschinen, Rechnern, Kopiersystemen, Textverarbeitungsanlagen sowie Bürobedarfsgütern einschließlich der Beratung und Schulung in Fragen der Büroorganisation und Datenverarbeitung und der Herstellung und des Vertriebs von EDV-Software, ferner von allen sonstigen Gegenständen der Metall- und Elektronikindustrie. Gegenstand des Unternehmens ist ferner die unternehmerische Betätigung durch unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an Unternehmen der bezeichneten oder anderer Geschäftszweige. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 80.302.822,65 EUR und ist in 55.381.257 auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Nennbetrag am Grundkapital von 1,45 EUR eingeteilt. Hiervon hält die ... mit Sitz in ... als Hauptaktionärin 52.850.017 Stückaktien.
Die Antragsgegnerin ist Aktionärin der Antragstellerin; sie hielt zum 30.3.2010 1001 Stückaktien.
Am 20.4.2010 fand eine außerordentliche Hauptversammlung der Antragstellerin statt, auf der mit über 99 % des vertretenen Grundkapitals zu TOP 1 der Beschluss gefasst wurde, die Aktien der Minderheitsaktionäre gem. §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer von der Hauptaktionärin ... zu zahlenden Barabfindung von 1,90 EUR je auf den Inhaber lautende Stückaktie auf die Hauptaktionärin zu übertragen ("Squeeze-out-Beschluss", vgl. Anlage ASt 5).
Die Einladung zu dieser außerordentlichen Hauptversammlung (Anlage ASt 3) wurde am 12.3.2010 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht (Anlage ASt 5, Unteranlagen 1a und 1b). Diese Einladung enthielt folgenden Hinweis:
"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich spätestens bis zum Ablauf des 13.4.2010 unter nachstehender Anschrift angemeldet sowe der Gesellschaft gegenüber unter ebendieser Anschrift den von dem depotführenden Institut erstellten Nachweis erbracht haben, dass sie zu Beginn des 30.3.2010 (Nachweissticht...