Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 RVG-VV

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3105 RVG-VV umfasst auch die Wahrnehmung eines weiteren Termins durch den Rechtsanwalt, wenn aufgrund erneuter Säumnis des Prozessgegners lediglich ein Antrag auf Erlass eines zweiten Versäumnisurteils gestellt wird. Der Rechtsanwalt hat dann weder einen Anspruch auf eine weitere 0,5-Terminsgebühr, noch steht ihm die volle Gebühr nach Nr. 3104 RVG-VV zu.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 3104-3105

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 16.09.2005; Aktenzeichen 2 O 12173/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.06.2006; Aktenzeichen VIII ZB 108/05)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.9.2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert beträgt 1.353,80 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin erwirkte am 19.1.2005 ein schriftliches Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO über eine Forderung i.H.v. 122.455,66 EUR. Mit Antrag vom 21.1.2005 begehrte sie die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr sowie einer 0,5-Terminsgebühr. Noch vor einer Entscheidung über diesen Antrag erhob der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil, rechnete hilfsweise mit Gegenforderungen auf und erhob Widerklage, wodurch sich der Streitwert des Verfahrens auf 220.125,29 EUR erhöhte. Das LG Nürnberg-Fürth beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung an, in welchem der Beklagte nicht erschien und auch nicht vertreten wurde. Es erging hinsichtlich der Klageforderung ein 2. Versäumnisurteil, hinsichtlich der Widerklage ein 1. Versäumnisurteil gegen den Beklagten, der dagegen keinen Einspruch einlegte.

Mit Antrag vom 19.7.2005 stellte der Klägervertreter einen erneuten Kostenfestsetzungsantrag, wobei er aus dem nunmehr höheren Streitwert eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie zusätzlich eine weitere 0,5-Terminsgebühr geltend machte.

Das LG Nürnberg-Fürth erließ am 16.5.2005 einen Kostenfestsetzungsbeschluss, in welchem lediglich eine Terminsgebühr i.H.v. 0,5 aus dem höheren Streitwert festgesetzt wurde.

Gegen den am 28.9.2005 zugestellten Beschluss legte der Klägervertreter sofortige Beschwerde ein, die am 12.10.2005 einging. Im Beschwerdeverfahren macht er nunmehr die volle Terminsgebühr von 1,2 nach Nr. 3104 RVG-VV geltend. Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567 ZPO); sie ist insb. form- und fristgerecht erhoben (§ 569 ZPO). Sie erweist sich aber in der Sache als unbegründet. Die Terminsgebühr wurde vom Rechtspfleger zu Recht nur mit 0,5 nach Nr. 3105 RVG-VV festgesetzt.

1. Nr. 3105 RVG-VV stellt einen Ausnahmetatbestand zum Regelfall der Terminsgebühr nach Nr. 3104 dar. Darin sollen Fälle, in denen der Gegner im Termin nicht erscheint und vom Rechtsanwalt lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil gestellt wird, nur einen verminderten Gebührensatz auslösen. Der Gesetzestext unterscheidet dabei ausdrücklich nicht zwischen erstem und zweitem Versäumnisurteil; es kommt somit auch nicht darauf an, ob die Instanz durch die Entscheidung abgeschlossen ist oder nicht.

2. Durch § 15 Abs. 2 RVG wird klargestellt, dass in derselben Angelegenheit nur einmal innerhalb des gleichen Rechtszuges Gebühren anfallen können. Diese "Einmaligkeit" hat zur Folge, dass es nicht auf den jeweiligen Aufwand, den der Rechtsanwalt zu betreiben hat, ankommt; maßgeblich ist allein, ob der jeweilige Gebührentatbestand erfüllt ist oder nicht. Dies ergibt sich auch daraus, dass für den Anfall der 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 weder die Anzahl noch die Dauer oder gar der Inhalt von Terminen, in denen streitig verhandelt wird, von Bedeutung wäre.

Gleiches muss aber dann auch für Termine gelten, für die eine geringere Gebühr anfällt, die jedoch jeweils denselben Gebührentatbestand erfüllen, hier also den Termin, der (nur) zum Erlass eines Versäumnisurteils führt. Aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 15 RVG kann jedenfalls nicht geschlossen werden, dass das Einmaligkeitsprinzip für priviligierte Gebührensätze nicht gelten sollte (so auch Hartmann, KostG, 34. Aufl., RVG § 15 Rz. 20; Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., § 15 Rz. 64).

3. Auch Nr. 3105 RVG-VV ist in dieser Weise auszulegen.

a) Es ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, dass der Wortlaut dieser Regelung, mit entsprechender Betonung gelesen, ihren Rechtsstandpunkt stützen könnte, wonach die Wahrnehmung eines zweiten Termines nicht mehr gemeint wäre. Wird das Wort "eines" ausdrücklich betont und bekommt somit die Bedeutung eines Zahlwortes, wäre die Vorschrift so zu verstehen, dass allein die Wahrnehmung eines einzigen Termines zur Gebührenreduzierung führen würde. Dann wäre jeder weitere Termin (hier der Termin aufgrund des Einspruchs des Beklagten) nicht mehr von Nr. 3105 umfasst; es würde dann die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 anfallen. Aufgrund der Gleichsetzung in Abs. 1 Nr. 2 zwischen einem schriftlic...

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