Leitsatz (amtlich)
Ein Ordnungsgeldbeschluß dient in erster Linie der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung. Er ist daher in der Sitzung über die Sache zu verkünden, in der die Störung geschieht. Nach dem Ende der Sitzung und dem Aufruf der nächsten Sache kann er nicht mehr verkündet werden, weil dadurch die Zweckbestimmung nicht mehr erreicht werden kann.
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Entscheidung vom 22.12.2005; Aktenzeichen 45 Cs 209 Js 17243/05) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde wird der Ordnungsgeldbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.12.2005 aufgehoben.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Am 22.12.2005 fand vor dem Amtsgericht Nürnberg ein Strafverfahren gegen G wegen Diebstahls statt. Während der mündlichen Urteilsbegründung störten mehrere Zuhörer die Verhandlung durch Zwischenrufe, weshalb der Vorsitzende sämtlichen anwesenden Zuhörern für den Fall weiterer Zwischenrufe ein Ordnungsgeld von 200,- EUR oder die Räumung des Saales androhte. Nach Abschluss der mündlichen Urteilsbegründung und nach Erteilung der Rechtsmittelbelehrung verliesen der Angeklagte und sein Verteidiger den Sitzungssaal. Sodann äußerte der noch anwesende Beschwerdeführer gegenüber dem Vorsitzenden des Gerichts: " Solche Leute wie sie leisten dem Rechtsstaat einen Bärendienst", woraufhin der Vorsitzende anordnete, die Personalien des Beschwerdeführers festzustellen. Dieser verlies den Sitzungssaal, kehrte kurze Zeit darauf zurück und gab der Protokollführerin seine Personalien an und übergab eine Visitenkarte.
In Anwesenheit des Vorsitzenden erklärte der Beschwerdeführer sodann: "Ich sage noch mal zum mitschreiben: "Urteile wie diese leisten dem Rechtsstaat einen Bärendienst." Daraufhin verließ er erneut den Sitzungssaal, anschließend auch sämtliche Zuhörer.
Der Vorsitzende unterbrach die Sitzung, verließ den Sitzungssaal und kehrte kurze Zeit später wieder zurück. Anschließend setzte er die Sitzung zur Anhörung eines Verurteilten aus einem anderen Verfahren fort und verkündete nach dieser Anhörung den angefochtenen Ordnungsgeldbeschluss. Welche Personen bei dieser Verkündung anwesend waren, ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Die dem Senat vorliegende Abschrift des Protokolls enthält kein Fertigstellungsdatum und ist vom Richter nicht unterschrieben.
Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 31.12.2005, einem Samstag, zustellten Beschluss legte dieser mit Schreiben vom 09.01.2006, beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen am selben Tag, einem Montag, sofortige Beschwerde ein. Eine Begründung dieser Beschwerde ist nicht eingegangen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.12.2005 kostenfällig als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Beschwerde (§ 181 Abs. 1 GVG) hat aus formalen Gründen Erfolg. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe scheitert daran, dass das Gericht den Beschluss nicht in der gleichen Sitzung, sondern erst nach Unterbrechung und Verhandlung einer weiteren Sache erlassen hat.
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes geschieht durch Beschluss, der "in der Sitzung" zu verkünden ist; nach dem Ende der Sitzung kann der Beschluss nicht mehr verkündet werden (OLG Schleswig NJW 1971, 1321; OLG Hamburg NJW 1999, 2607; Kissel, GVG, 3. Auflage, § 178 Rn 49, Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 17g GVG Rn 16). Vorliegend hat das Gericht den Beschluss erst nach dem Ende der Hauptverhandlung und Behandlung einer weiteren Sache verkündet, wobei dahinstehen kann, ob anders zu entscheiden wäre, wenn das Gericht die spätere Verkündung angekündigt hätte (str.; vgl. hierzu Kissel a.a.O., Rn 48; OLG Hamburg NJW 1999, 2607).
Die besonderen sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden nach den §§ 176 - 183 GVG geltend, wie schon der Wortlaut und der Zusammenhang dieser Bestimmungen zeigen, nur "in der Sitzung". Das entspricht ihrer Zweckbestimmung, die nicht so sehr dahin geht, Störungen zu ahnden, als vielmehr die Ordnung in der Verhandlung aufrecht zu erhalten (§ 176 GVG). Die sitzungspolizeilichen Befugnisse rechtfertigen nur Maßnahmen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Verhandlung, zur Aufrechterhaltung ihrer Würde und zur Verhinderung von Rechtsverletzungen und Störungen während ihres Ablaufs notwendig sind. Das bedeutet, dass sie regelmäßig in unmittelbaren Anschluss an die Störung, in jedem Fall aber zumindest noch in der gleichen Sitzung ergehen müssen. Sonst können sie diesen Zweck nicht erfüllen. Es ist deshalb anerkanntes Recht, dass die sitzungspolizeiliche Gewalt jeweils mit dem Schluss der Sitzung endet (vgl. OLG Stuttgart NJW 1969, 627, 628; OLG Schleswig, NJW 1971, 1321, 1322, jeweils m.w.N.). Folgen aber mehrere Hauptverhandlungen aufeinander, so umfasst "die Sitzung" zwar auch die Zeit zwischen Verkündung einer Entscheidung und dem Aufruf der nächsten Sache (Maul, MDR 1970...