Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.06.1997; Aktenzeichen 8 O 10790/96) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt
638,50 DM.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat sachlich keinen Erfolg.
Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat zu Recht die Festsetzungsgebühren aus der Kostennote der Rechtsanwälte M. & Kollegen vom 14. April 1997 (Bl. 27 d.A.) im Kostenfestsetzungsverfahren abgelehnt. Die berechnete Gebühr ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig:
1. Die Mahnanwaltskosten, § 43 Abs. 1 Ziffer 1 BRAGO:
Als Mahnanwaltskosten ist die Gebühr schon deshalb nicht festsetzbar, weil die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Durchführung des streitgegenständlichen Mahnverfahrens nicht notwendig war (§ 91 Abs. 1 ZPO) und ein Fall des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegt:
a) Im Mahnverfahren (§§ 688 ff. ZPO) ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe regelmäßig nicht erforderlich. Deshalb steht auch die herrschende Meinung auf dem Standpunkt, daß für das Mahnverfahren im Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hierfür die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Thomas-Putzo, 20. Aufl., Vorbemerkung 12 vor § 688 ZPO; Wielgoß NJW 91, 2070, m.w.N.). Nur in seltenen Ausnahmefällen ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts gerechtfertigt (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., Wielgoß a.a.O.).
Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Die Beantragung eines Mahnbescheids erfordert in der Regel lediglich die Ausfüllung eines Formblatts (vgl. § 703 c ZPO). Diese Formblätter sind nicht nur inhaltlich leicht verständlich, sie werden im Handel zudem mit ausführlichen Zusatzbelehrungen angeboten. Der Mahnantrag erfordert deshalb in der Regel auch keine speziellen Rechtskenntnisse oder besondere geschäftliche Erfahrung. Zudem handelt es sich im Streitfall für die Klägerin um einen reinen Routinefall eines trotz wiederholter Mahnungen (auch durch ein Inkassobüro) nicht leistenden Schuldners. Dieser hatte überdies – unstreitig – vor Erlaß des Mahnbescheids die zugrundeliegenden Forderungen ausdrücklich anerkannt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin für den Antrag auf Mahnbescheid anwaltschaftlicher Hilfe bedurfte. Die bloße Existenz eines „Hausanwalts” rechtfertigt keine Ausnahme vom Gebot einer sparsamen Prozeßführung.
b) Ein Fall des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der sich als Ausnahmevorschrift zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellt, liegt nicht vor.
Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Diese Vorschrift wird in der Regel dahingehend ausgelegt, daß die Kosten eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren von dem unterlegenen Antragsgegner stets zu erstatten sind, auch wenn der Antragsteller den Mahnbescheid selbst hätte beantragen können; es sei denn, es war von Anfang an mit der Einlegung eines Widerspruchs durch den Schuldner zu rechnen (vgl. MünchKomm zur ZPO, 1. Aufl., RZ 24 zu § 91 ZPO; Stein-Jonas-Bork, 21. Aufl., RZ 58 zu § 91 ZPO; Gerold/Schmidt, Kommentar zur BRAGO, 13. Aufl., RZ 20 zu § 43 BRAGO). Es ist schon fraglich, ob das Mahnverfahren dem Wortsinne nach (grammatische Auslegung) überhaupt als Prozeß im Sinn des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen ist (bejahend: MünchKomm zur ZPO, Vorbemerkung 3 vor § 688 ZPO; verneinend: Gerold/Schmidt, a.a.O., RZ 21 zu § 43 BRAGO). Der Senat neigt dazu, die Frage zu verneinen. Der für die Durchführung des Mahnverfahrens zuständige Rechtspfleger (§ 20 Ziff. 1 RPflG) ist nicht Richter i.S.d. Grundgesetzes, er übt auch keine rechtsprechende Gewalt i.S.d. Art. 92 GG aus (vgl. Bassenge-Herbst, Kommentar zur RPflG, 7. Aufl., RZ 8 vor § 1 RPflG, m.w.N.). Das Mahnverfahren dient nach seiner Intention auch nicht der Verwirklichung der anerkannten Prozeßziele (Herbeiführung von Rechtsgewißheit durch Konkretisierung der abstrakten Gesetzesnorm im Einzelfall; Rechtsfortbildung; Bewährung der Privatrechtsordnung; vgl. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, § 1 I). Es ist ein einseitiges auf Unterwerfung des Schuldners gerichtetes Verfahren. Eine mündliche Verhandlung oder gar eine Beweisaufnahme findet nicht statt. Der Schuldner wird auch nicht zur Sache gehört. Er kann dem Verfahren nur generell durch Widerspruch oder Einspruch widersprechen (vgl. zum Verfahren: MünchKomm, a.a.O., RZ 8 ff. vor § 688 ZPO). Der am Ende des Verfahrens stehende Vollstreckungsbescheid hat allein aus technischen (pragmatischen) Gründen die Wirkung eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels (vgl. MünchKomm, RZ 1 zu § 700; RZ 6 ff. zu § 796 ZPO). Das Mahnverfahren gleicht damit eher einem Verwaltungsverfahren (so ausdrücklich für das Verfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit ...