Leitsatz (amtlich)

Die Wartepflicht nach § 9 Abs. 4 S. 1 StVO setzt ein, sobald der Linksabbieger erkennen kann, dass das sich aus der Gegenrichtung nähernde Fahrzeug nach rechts abbiegen will und es daher zu einer Überschneidung der Fahrwege im Einmündungsbereich oder auf der nachfolgenden Straße kommen wird. Sie entfällt nicht dadurch, dass er seinen Abbiegevorgang fortsetzt und so eine Situation herstellt, bei der er zum Benutzer der vorfahrtsberechtigten Straße wird.

 

Normenkette

StVO § 9 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Aktenzeichen 73 O 1463/23)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. März 2024, Az. 73 O 1463/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob und in welchem Umfang die Beklagten dem Kläger zum Ersatz wegen der Beschädigung seines PKW verpflichtet sind.

Zwischen dem im Eigentum des Klägers stehenden PKW VW Tiguan, amtliches Kennzeichen ..., welcher zu dem Zeitpunkt von seiner Ehefrau (Zeugin ...) gesteuert wurde, und dem im Eigentum des Beklagten zu 1) stehenden PKW Toyota Jaris, amtliches Kennzeichen ..., kam es am 8. Februar 2023 gegen 14:00 Uhr in ... auf der ..., unmittelbar hinter der Einmündung der ... und der ... Straße, zu einer Kollision. Die Zeugin ... bog, von der ... her kommend, nach links in die ... - stadteinwärts gerichtet - ein, die Beklagte zu 1) aus der entgegenkommenden ... Straße nach rechts in dieselbe Richtung. Der von der Beklagten zu 1) gesteuerte und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte PKW beschädigte dabei den PKW des Klägers im Bereich der vor der Vordertüre, der Hintertüre und des Heckkotflügels rechts.

Der Kläger begehrt vollständigen Ersatz des durch die Beschädigung seines PKW verursachten Schadens. Die Beklagte zu 1) treffe das alleinige Verschulden an dem Unfall, weil die Zeugin ... ihren Abbiegevorgang bereits beendet gehabt habe, als es zu dem Zusammenstoß kam. Dementsprechend sei die Zeugin vom Vorwurf eine Ordnungswidrigkeit freigesprochen worden.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der auf Zahlung von 8.662,59 EUR nebst Zinsen sowie 887,03 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage nur im Umfang von 4.278,79 EUR nebst Zinsen und 540,50 EUR entsprochen und sie im Übrigen als unbegründet abgewiesen. Die Beklagten schuldeten dem Kläger nur hälftigen Schadensersatz, weil auf Seiten beider Fahrzeuge ein gleich hohes Verschulden gegeben sei. Die Ehefrau des Klägers habe gegen § 9 Abs. 4 S. 1 StVO verstoßen, da sie als Linksabbiegerin der entgegenkommenden und nach rechts abbiegenden Beklagten zu 1) die Vorfahrt hätte einräumen müssen. Zu dem Zusammenstoß sei es zwar erst gekommen, als der beschädigte PKW bereits parallel zur ... ausgerichtet gewesen sei, doch habe sich der unfallkausale Verstoß bereits vor Abschluss des Abbiegevorgangs dieses Fahrzeug ereignet. Die Beklagte zu 1) hätte allerdings den Abbiegevorgang der Zeugin ... erkennen und ihrerseits eine Kollision vermeiden können und müssen. Bei der Schadenshöhe seien die Reparaturkosten mit 3.766,29 EUR und die Wertminderung mit 750,00 EUR jeweils im geltend gemachte Umfang zu berücksichtigen; Nutzungsausfall könne jedoch nur für 5 Tage und damit im Umfang von 250,00 EUR und die Schadenspauschale nur im Umfang von 25,00 EUR in Ansatz gebracht werden. Dementsprechend seien vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,25 EUR angefallen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche insoweit weiter, als sie auf vollständigen Ersatz des vom Landgericht anerkannten Schadensbetrags und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichtet sind. Aufgrund der Aussagen der Zeuginnen ... und ... hätte das Landgericht zugrunde legen müssen, dass das Fahrzeug des Klägers bereits vollständig in die ... eingefahren gewesen war, als die Beklagte zu 1) von rechts hinten in dessen rechte Seite fuhr. Damit liege keine Vorfahrtverletzung seitens der Zeugin ... vor, sondern eine Vorfahrtverletzung durch die Beklagte zu 1), was deren Alleinverschulden begründe.

II. Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich zur Überzeugung der Senatsmitglieder als unbegründet.

1. Die Angriffe in der Berufungsbegründung, das Landgericht hätte aufgrund der Aussagen der Zeuginnen ... und ... zum Ergebnis kommen müssen, dass der PKW des Klägers sich bereits in Geradeausfahrtrichtung auf der ... befunden habe, gehen insoweit ins Leere, als das Landgericht von einem solchen Sachverhalt ausgegangen ist. Entsprechendes geht klar aus den Ausführungen auf S. 9 des angegriffenen Urteils, unter f), ...

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