Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht des Verkäufers auf Erdtanks im Boden
Leitsatz (amtlich)
Der Verkäufer eines Grundstücks ist verpflichtet, den Käufer darüber zu unterrichten, dass sich im Boden große Erdtanks befinden, welche die Grundstücksnutzung behindern können.
Unterlässt es eine juristische Person, das vorhandene Wissen über solche Erdtanks aktenmäßig festzuhalten und das aktenmäßige Wissen vor einem Grundstücksverkauf abzurufen, ist die unterbliebene Unterrichtung des Käufers über die bauliche Altlast als arglistig anzusehen.
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 280, 311 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 02.09.2003; Aktenzeichen 1 O 260/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Weiden vom 2.9.2003 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 768.409,83 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2004 und Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 681.325,52 EUR vom 26.4.2003 bis 15.12.2004, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Anwesens W., B.-P.-S. 33, vorgetragen im Grundbuch des AG W. für W. Bd. 221 Bl. 7922, sowie Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt W. auf Rückerstattung gezahlter Grunderwerbssteuer.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche darüber hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Rückabwicklung des Kaufvertrags betreffend das Anwesen W., B.-P.-S. 33, resultieren.
III. Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 868.409,83 EUR (768.409,83 EUR + 100.000 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Grundstück. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Zuchtverband für Fleckvieh in der O., Abt. N., war Eigentümer eines bebauten Grundstücks in der Innenstadt von W. Er unterhielt dort seit etwa 1957 eine Tankanlage für den Eigenverbrauch, die aus einem unterirdisch im Hof eingebauten Behälter für 3.000 Liter Benzin und einer oberirdisch angebrachten Zapfapparatur bestand. Im Erdreich des Hofes befand sich ferner ein Tank für 13.000 Liter Heizöl.
Etwa im Jahr 1969 wurden beide Tanks stillgelegt. Sie verblieben im Boden.
Im Jahr 1991 wurde der Zuchtverband für Fleckvieh in der O., Abteilung N., aufgelöst. Ebenfalls aufgelöst wurde ein solcher Zuchtverband, Abteilung S. Vermögen, Personal und sachliche Einrichtungen der beiden Verbände gingen auf den Beklagten über, der zur gleichen Zeit gegründet wurde.
Der Beklagte verkaufte das Grundstück mit Vertrag vom 23.1.1996 an den Kläger. Eine Haftung für Sachmängel wurde ausgeschlossen. Der Beklagte versicherte jedoch, dass ihm verborgene Mängel nicht bekannt seien.
Mit Anwaltsschreiben vom 27.8.2001 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe mittlerweile von der früher auf dem Grundstück betriebenen Tankstelle erfahren. Da ihm dieser Umstand verschwiegen worden sei, fechte er den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und fordere Wandelung.
Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von 681.325,52 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des verkauften Grundstücks in Anspruch genommen. Seine Klage hat das LG Weiden mit Endurteil vom 2.9.2003 abgewiesen. Es hat Arglist aufseiten des Beklagten verneint. Der Zeuge W., der zum Zeitpunkt des Verkaufs 1. Vorsitzender des Beklagten war und für diesen bei der Beurkundung auftrat, habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nichts von den Erdtanks und der früheren Eigenverbrauchstankstelle gewusst. Eine Zusicherung ins Blaue hinein hinsichtlich verborgener Mängel habe der Zeuge nicht abgegeben, da er sich ausreichend informiert habe. Arglist könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wissenszurechnung bejaht werden, weil man zum Zeitpunkt der Stilllegung der beiden Tanks für die Altlastenproblematik weniger als heute sensibilisiert gewesen sei, weshalb damals kein Anlass bestanden habe, das Wissen um die frühere Tankstelle und die im Boden verbliebenen Tanks dauerhaft zu speichern.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers, der nunmehr einen Betrag von 768.409,83 EUR und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für weiter gehenden Schaden begehrt.
Der Kläger behauptet, dass der Boden des Grundstücks durch Öl und Benzin verunreinigt sei; zumindest bestehe der Verdacht einer durch den früheren Tankstellenbetrieb und die im Erdreich verbliebenen Behälter verursachten Bodenkontamination, was schon für sich allein einen Sachmangel darstelle. Sowohl hierüber als auch über die Existenz der Tanks überhaupt habe er vor Abschluss...