Leitsatz (amtlich)
1. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls kann eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Alter eines Bestandsgebäudes, die zwei Jahre vom tatsächlichen Alter negativ abweicht, eine zur Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigende erhebliche Pflichtverletzung darstellen.
2. Im Rahmen des großen Schadenersatzes ist der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises von vornherein auf Zahlung Zug-um-Zug gegen Vorteilsausgleichung gerichtet. Um den Anspruch auf Prozesszinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu begründen, muss der Käufer daher die von ihm geschuldete Rückübereignung und Rückübertragung des Besitzes an dem erworbenen Grundstück in den Klageantrag aufnehmen oder zumindest in seinem den Klageantrag ausfüllenden Vorbringen eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Sofern er die lastenfreie Rückübereignung schuldet, muss er dies ebenfalls unmissverständlich deutlich in sein Begehren aufnehmen.
3. Ein durch eine arglistige Täuschung bewirkter Vertragsschluss ist in der Regel als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB anzusehen mit der Folge, dass ein Zinsanspruch gem. §§ 849, 246 BGB in Höhe von 4 % des Kaufpreises ab dessen Zahlung bestehen kann. Ein den deliktischen Schadenersatzanspruch und damit den Zinsanspruch gem. § 849 BGB ausschließender Ausnahmefall kann allerdings nach den Umständen des Einzelfalls vorliegen, wenn die Arglist auf einer Erklärung des Verkäufers "ins Blaue hinein" beruht.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 03.06.2016; Aktenzeichen 8 O 209/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld vom 03.06.2016 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger gemeinschaftlich
a) 600.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2017 zu zahlen,
b) zu erklären, dass das Eigentum an dem im Grundbuch des AG Minden, Blatt 1648, eingetragenen Grundstück Gemarkung G, Flur ...., Flurstück ..., auf die Beklagte übergehen und diese als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden soll - jeweils Zug um Zug gegen Übergabe des Besitzes an dem im Antrag zu Ziffer 1b) bezeichneten Grundstück durch die Kläger an die Beklagte sowie Abgabe der Erklärung durch die Kläger, dass das lastenfreie Eigentum an dem im Antrag zu Ziffer 1b) bezeichneten Grundstück auf die Beklagte übergehen und diese als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden soll -.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung des im Antrag zu Ziffer 1b) näher bezeichneten Grundstücks im Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger gemeinschaftlich außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.998,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.08.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz tragen die Beklagte zu 89 % und die Kläger zu 11 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 650.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger begehren die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Hausgrundstück in Q.
Die Eltern der Beklagten ließen das streitgegenständliche Einfamilienhaus im H-Straße 3 in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts errichten. Erste Bauarbeiten fanden 1993 statt. Der Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes ist zwischen den Parteien umstritten. Die Kläger stellen insoweit auf 1994, die Beklagte auf 1995 ab. Die Eltern der Beklagten bewohnten das Haus nur wenige Jahre. Im Jahr 2000 zogen sie mit ihren Kindern nach Starnberg um. Seitdem wurde das Haus bis zum Verkauf nicht mehr dauerhaft bewohnt. 2008 wurde die Beklagte im Wege vorweggenommener Erbfolge Eigentümerin des Hausgrundstücks.
Der Vater der Beklagten bemühte sich nach dem Umzug der Familie um einen Verkauf des Objekts, wobei er zunächst die Makler L und T und sodann die Makler F mit der Vermarktung beauftragte. In einem als "Marktorientierte Einwertung" bezeichneten Papier schlugen die Makler F vor, das Objekt für 790.000 EUR anzubieten. Das Baujahr des Gebäudes ist in diesem Papier mit 1995 angegeben. In dem nachfolgend gefertigten Exposé der Makler F, das den Klägern zur Kenntnis gelangte, wird als Baujahr des Objekts 1994 benannt. Wegen der Einzelheiten des Exposés wird auf Blatt 52 ff der Gerichtsakte verwiesen.
Die mit dem Makler C von der Fa. F und den Klägern im Vorfeld des Kaufvertragsschlusses geführten Gespräche nahm auf Seiten der Beklagten ausschließlich deren mittlerweile verstorbene Vater wahr, wobei es weder mit dem Makler C noch mit den Klägern zu einem Treffen kam, sondern...