Leitsatz (amtlich)
1. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge JWH-210 liegt bei 2 Gramm Wirkstoffgehalt.
2. Der Grenzwert zur nicht geringen Menge MDPV liegt bei 10 Gramm Wirkstoffgehalt.
Normenkette
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 28.04.2015; Aktenzeichen 6 Ns 359 Js 8017/14) |
Tenor
- Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.04.2015 wird als unbegründet verworfen.
- Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Erlangen hat den Angeklagten mit Urteil vom 02.12.2014 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht hat zur Tat folgende Feststellung getroffen:
"Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Januar 2014 kaufte und übernahm der Angeklagte von dem anderweitig Verfolgten T... P... in dessen Wohnung im Anwesen S... 6 in E...,3g JWH-210 und insgesamt 64g MDPV/JWH-018 Gemisch zum Preis von 3.000 €. Dabei plante der Angeklagte das Rauschgift anschließend abzüglich eines Eigenkonsumanteils von ca. 10% gewinnbringend weiterzuverkaufen. Das Rauschgift wies Wirkstoffmengen von 4,21g JWH-018, 52,3g MDPV-Base und 23,2g JWH-210 auf. Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die zum Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis."
Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 28.04.2015 das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren neun Monaten verurteilt wird. Das Landgericht hat der Strafzumessung zunächst den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtmG zugrunde gelegt und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Milderung wegen eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtmG unter anderem auch wegen "des hohen Wirkstoffs des Rauschgifts" verneint. Aufgrund der Angaben des Angeklagten hat das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 BtmG, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Auch bei der eigentlichen Strafzumessung hat das Landgericht im Rahmen des "Tatbildes" auf den "hohen Wirkstoffgehalt" abgestellt.
Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
II.
Die Sachrüge hat keinen Erfolg.
Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass mit den Rauschgiftmengen die Grenzwerte zur nicht geringen Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtmG überschritten sind. Auch sonstige auf die Sachrüge zu prüfende Rechtsfehler liegen nicht vor.
1. Für den Wirkstoff JWH-018 liegt der Grenzwert der nicht geringen Menge bei 2 Gramm (BGH StraFO 2016, 37), so dass die vom Angeklagten besessene Wirkstoffmenge von 4,21 Gramm den Grenzwert um mehr als das zweifache übersteigt.
2. Auch die Grenzwerte der nicht geringen Menge der Wirkstoffe JWH-210 und MDPV werden deutlich überschritten.
Da die Grenzwerte dieser Wirkstoffe bislang obergerichtlich nicht festgestellt wurden, sind diese vom Senat festzusetzen. Hierbei bezieht sich der Senat auf die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (BGHSt 60, 134 m.w.N.). Danach ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGHSt 51, 318, BGHSt 57, 60).
Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit der Wirkstoffe JWH-210 und MDPV hat der Senat ein Gutachten des Laborleiters der Forensischen Toxikologie der Universität Freiburg, Prof. Dr. A..., eingeholt.
a. Der Senat setzt den Grenzwert der nicht geringen Menge an JWH-210 auf eine Wirkstoffmenge von 2 Gramm fest.
aa. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich folgendes:
(1) Synthetische Cannabinoide werden als Hauptwirkstoffe in "Spice"-Produkten meist als Ersatz für Cannabis eingesetzt. Nachdem die ursprünglich eingesetzten Substanzen JWH-018 und CP-47,497-C8 im Jahr 2009 in Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtmG aufgenommen waren, kam sehr schnell der Ersatzwirkstoff JWH-073 auf, der sich vom Wirkstoff JWH-018 durch Bindung einer Butyl- statt einer Pentylgruppe am Indolstickstoff ableitet. JWH-210 leitet sich ebenfalls vom Wirkstoff JWH-01...