Leitsatz (amtlich)
1. Dem Geschädigten, dem nach erlittener Verletzung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilt wird und der deshalb berechtigterweise seine Arbeitsunfähigkeit annimmt und deshalb nicht arbeitet, kann hierdurch ein ersatzfähiger normativer Schaden (Gewinnentgang) entstehen. Anderes kann gelten, wenn eine ärztliche Bescheinigung in für den Geschädigten deutlich erkennbarer Weise unzutreffend ist, etwa weil sie auf unwahren eigenen Angaben des Geschädigten gegenüber dem Arzt beruht, oder ein Gefälligkeitsattest vorliegt.
2. Zur Berechnung des entgangenen Gewinns bei einer freiberuflichen Krankengymnastin.
Normenkette
BGB §§ 249, 252; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 8 O 306/17) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.11.2018, Az. 8 O 306/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
aa) 215,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.10.2016, sowie weitere Zinsen in genannter Höhe aus 6.373,39 EUR für den Zeitraum vom 11.05.2016 bis 14.07.2016 und aus 3.406,39 EUR für den Zeitraum 15.07.2016 bis 24.08.2016,
bb) weitere 2.319,61 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.12.2016 und
cc) weitere 413,64 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.01.2017 zu zahlen.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz trägt der Kläger 46 % und trägt die Beklagte 54 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz trägt der Kläger 60 % und trägt die Beklagte 40 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.814,47 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 540 Abs. 2 mit § 313a Abs. 1 ZPO).
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet und war demgemäß zurückzuweisen.
Der Kläger macht gegenüber der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung weitere, teils aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau behauptete Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 16.02.2016 geltend. Die volle Einstandspflicht der Beklagtenseite dem Grunde nach ist unstreitig. Für die in der Berufung geltend gemachten Schadensposten gilt im Einzelnen:
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nur in Höhe von 215,00 EUR zu.
a) Der Bundesgerichtshof bejaht in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen (BGH, Urteil vom 23.01.2018 - VI ZR 57/17, juris Rn. 7 m. w. N.). Die Zuerkennung der Entschädigung ist davon abhängig, dass der Eigentümer sein Fahrzeug in der fraglichen Zeit benutzen wollte und hierzu in der Lage war. Darüber hinaus muss die Entbehrung der Nutzung auch deshalb "fühlbar" geworden sein, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren geeigneten Kraftfahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hat (BGH aaO, Rn. 8 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen für die Zeit, in der dem Kläger kein Mietwagen zur Verfügung stand, vor. Insbesondere spricht die Rückgabe des Mietwagens nach Wertung des Senats nicht gegen den Nutzungswillen. Die Nutzung des Mietwagens belegt zunächst vielmehr den Bedarf und den Willen zur Fahrzeugnutzung. Nachdem ausweislich des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen C. die Wiederbeschaffungsdauer und damit die Dauer, für die die Mietwagenkosten von der gegnerischen Versicherung regelmäßig übernommen werden, mit 14 Tagen angegeben war, stellte die Rückgabe des Mietwagens nach Ablauf dieses Zeitraums eine verständliche Maßnahme der Schadensminderung dar. An dem fortbestehenden Nutzungswillen des einzigen Familienfahrzeugs bei zwei berufstätigen Erwachsenen (Kläger und seine Ehefrau) hat der Senat dabei keine vernünftigen Zweifel.
b) Der Anspruch besteht in Höhe von 215,00 EUR. Der Kläger hat den Fahrzeugschaden auf der Basis des Wiederbeschaffungsaufwandes nach dem von ihm eingeholten Gutachten abgerechnet. Es würde zu einer grundsätzlich unzulässigen Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung führen, wenn der Fahrzeugschaden einerseits fiktiv abgerechnet wird und andererseits dem Anspruch für die Nutzungsausfallentschädigung nicht die objektiv erforderliche Ausfalldauer zugrunde gelegt würde, sondern die tatsächliche Dauer (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.07.2019 - 5 U 696/19, juris Rn. 25). Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht somit für die Dauer einer notwendigen Reparatur oder Wiederbeschaffung zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und ggf. einer angemessenen Überlegungszeit (BGH, Urteil vom 05.02.2013 - VI ZR 363/11, juris Rn. 22). Rechnet der Geschädigte seinen Schaden - wie hier - fiktiv ab, kommt es dabei...